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„Die Erinnerung an Dich lebt durch diese Zeremonie weiter“

Krieg von 1870/71: Französischer Mäzen saniert Denkmal und stiftet Namenstafeln – Einweihung in Dresden-Kaditz

Einer privaten Initiative ist es zu verdanken, dass hohe Repräsentanten der deutschen und französischen Kriegsgräberfürsorge in Dresden-Kaditz gemeinsam ein Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft setzten: Sie weihten ein Denkmal für 117 französische Kriegstote von 1870 ein, nachdem es saniert und mit Namenstafeln versehen worden war. Romain d’Eprésmesnil hatte das mit privaten Mitteln finanziert.


Den Anstoß hatte im Sommer 2021 ein Artikel in der Zeitschrift des „Souvenir Français“ – der französischen Partnerorganisation des Volksbundes – gegeben. Sein Thema: der zivile Friedhof des Dresdener Stadtteils und die „Franzosengräber“. Das hatte den Mäzen, geboren 1940, zum Handeln veranlasst. Das schlichte Denkmal erinnert an französische Kriegsgefangene, die in Sachsen an  Verwundungen oder Krankheiten verstorben waren.
 

Reibungslose Arbeit Hand in Hand

Gemeinsam hatten der Volksbund-Landesverband Sachsen und „Souvenir Français“ – vorbildlich unterstützt von der Unteren Denkmalbehörde – die rechtlich-administrativen und technisch-praktischen Voraussetzungen geschaffen, um das Projekt rasch zu vollenden. Alle Redner lobten die gute Zusammenarbeit. Die Anlage zeuge heute „von der unveränderlichen Annäherung unserer beiden Nationen“, heißt es im Widmungstext zu den Namenstafeln.

Wolfgang Wieland, Vizepräsident des Volksbundes, zitierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Nicht ein Berg frisst Menschen, es ist der übersteigerte Nationalismus, der Menschen frisst.“ – „Diese Worte, vor wenigen Jahren gefallen, wirken heute geradezu prophetisch“, sagte er. Renationalisierung könne nicht der Weg sein. „Im Gegenteil: Sie ist ein Spiel mit dem Feuer.“

Der französische Militärattaché in Deutschland, Generalmajor Jean-Pierre Metz, betonte die Verpflichtung, die von den Toten für die Lebenden ausgehe, und die Bedeutung militärischen Dienens für Recht und Freiheit unter der Devise des altrömischen „si vis pacem para bellum“ („wenn Du Frieden willst, bereite Krieg vor“): Den „Souvenir Français“ vertrat Generaldirektor, General a.D. Serge Barcellini.

 

„Gerührt, dass Sie heute hier sind“

Auch Romain d’Eprésmesnil sprach zu den rund 120 Gästen: „Sie können sich kaum vorstellen, wie gerührt ich bin, dass Sie heute hier sind.“ Das Eindrucksvollste an diesem Projekt sei für ihn „der Geist der militärischen Brüderlichkeit, der sich seit rund 150 Jahren beständig durch die Generationen, Regimenter und Kriege zieht, und uns auch weiterhin begleitet.“

Die Herkunftsorte der Toten zu ermitteln, war eine besondere Herausforderung. Drei französische Bürgermeister, aus deren Gemeinden Tote in Kaditz begraben sind, nahmen an der Gedenkveranstaltung teil – ein Zeichen dafür, dass der Krieg 1870/71 in der historischen Wahrnehmung in Frankreich einen deutlich größeren Stellenwert hat als in Deutschland.

Drei Bürgermeister reisten an

Bürgermeister Philippe Raigné aus Linards (Limousin) sprach stellvertretend und wandte sich symbolisch an den toten Soldaten Coudert, der aus demselben Dorf stammte wie er: „Ich wünsche mir, dass wir als eine symbolträchtige Geste ein Glas mit Erde aus Linards in deiner Nähe niederstellen können und dass du heute weißt, dass die Erinnerung an dich durch diese feierliche Zeremonie weiterlebt.“

Die Offizierschule des Heeres in Dresden und das Luftwaffenmusikkorps aus Erfurt mit seinem Bläserquintett sorgten für den musikalischen Rahmen.

Besonderen Eindruck machten die französischen Offiziersanwärter in ihren blau-roten Traditionsuniformen, die gemeinsam mit ihren deutschen Kameraden Kränze niederlegten. Sie besuchen zur Zeit die Offizierschule in Dresden im Rahmen eines Austauschs und übersetzten die französischen Reden. Pfarrer Thomas Markert von der evangelisch-lutherischen Laurentius-Kirchgemeinde hatte die 120 Gäste begrüßt. Das Programm endete mit der deutschen und der französischen Hymnen und den Totensignalen.
 

Hintergrund

Am 19. Juli 1870 – heute vor 152 Jahren – erklärte der französische Kaiser, Napoleon III., dem Königreich Preußen den Krieg. Wenige Wochen später lag sein Kaiserreich in Trümmern und im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles proklamierten die deutschen Fürsten am 18. Januar 1871 Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser des neuen Deutschen Reiches.

Am gleichen Orte musste Deutschland am 28. Juni 1919 in den Friedensschluss von Versailles einwilligen, der den Ersten Weltkrieg beendete, aber keinen Frieden brachte. Es folgte 1939 noch ein weiterer Waffengang, in dem Deutsche und Franzosen erneut gegeneinander fochten, und so galt die Erbfeindschaft zwischen den beiden Völkern von 1870 bis 1945 als unüberwindlich.

Dass der Rhein heute mehr verbindet als trennt,  ist die Frucht jener „Versöhnung über den Gräbern“ im Geiste einer europäischen Friedensordnung. Ausgehend von Kanzler Adenauer und General de Gaulle, fand sie ihren symbolischen Endpunkt im gemeinsamen Gedenken Helmut Kohls und François Mitterands 1984 auf dem Schlachtfeld von Verdun.

Die deutsch-französische Versöhnung nach einem Jahrhundert der Erbfeindschaft möge gerade angesichts des russischen Ukraine-Feldzugs als Vorbild für eine tragfähige Friedensordnung nach den Schrecken und Verwerfungen eines durch Feindschaft und Krieg geprägten Jahrhunderts dienen, so der vielfach geteilte Wunsch bei der Einweihung.

Text: Dr. Dirk Reitz (Geschäftsführer Landesverband Sachsen)
Kontakt​​​​​​​

Weiterführende Literatur und Links:

  1. BREMM, Klaus-Jürgen: 70/71 Preußens Triumph über Frankreich und die Folgen. Darmstadt 2019.
  2. MGFA (Hg.): Entscheidung 1870. Stuttgart 1970.
  3. NONN, Christoph: 12 Tage und ein halbes Jahrhundert. Eine Geschichte des Deutschen Kaiserreiches 1870-1918. München 2020.
  4. PÖLKING, Hermann / SACKARND, Linn: Der Bruderkrieg 1870/71 Deutsche und Franzosen. Freiburg 2020.
  5. Als Quellenmaterial sei auf das preußische Generalstabswerk von 1875 zum deutsch-französischen Krieg verwiesen. Ebenfalls lesenswert sind die Erinnerungen des amerikanischen Generals Sheridan, der als Beobachter auf deutscher Seite am Geschehen teilnahm: SHERIDAN, Philipp: Von Gravelotte nach Paris. Leipzig 1889.
  6. https://gedenkportal.volksbund.de/rueckblick/detailseite-vergangene-veranstaltung/vortrag-und-diskussion-1870-71-der-deutsch-franzoesische-krieg-in-perspektive-66561
  7. https://sachsen.volksbund.de/aktuell/nachrichten/detailseite/nach-150-jahren-gefunden-und-bestattet
  8. Zur Kirchengemeinde: https://www.laurentius-dresden.de/startseite
  9. Zum Friedhof in Kaditz: http://le-souvenir-francais.de/fr/inventaire.php?id=144