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Handgranaten statt Wunderkerzen

Die Geschichte der Brüder Sökefeld
Ein Artikel von Simone Schmid

Sie waren fünf, die Brüder Sökefeld, die ein und dasselbe Schicksal teilten: Sie alle sind im Zweiten Weltkrieg gefallen. Zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Orten. Zu Josef, Anton und Aloys haben wir biographisches Material bekommen. In Feldpostbriefen berichteten sie von ihren Erlebnissen an der Ost- und Westfront. Der Name von Josef ist in Klaipeda (früher Memel) in Litauen verzeichnet. Dort erinnerte der Volksbund am 22. April 2023 an die Einweihung der Kriegsgräberstätte vor 25 Jahren und bettete weitere Tote ein.

 

Einer der Feldpostbriefe stammt von Aloys Sökefeld. Er wurde am 27. Januar 1921 als eines von neun Kindern in Neuenheerse geboren. Zunächst erlernt er den Beruf des Schlossers. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er in Frankreich und vor allem an der Ostfront in Russland bei der Panzertruppe eingesetzt, zuletzt war gehörte er der 2. Kompanie der schweren Panzerabteilung 510 an.

Weihnachten an der Ostfront

In Briefen hielt Aloys während seines Einsatzes regelmäßig Kontakt zu seiner Familie, insbesondere zu seiner Schwester Anna. Ironisch bis sarkastisch berichtete er ihr am 3. Januar 1942 von den Weihnachtsfeiertagen an der Ostfront bei Moskau: „„[E]s nahte nun der 24.12. wir waren alle dabei unsere Quartiere etwas weihnachtlich herzurichten – da kam der Befehl wieder nach vorn zu fahren. Und so sind wir am ersten Weihnachtstag wieder an die Front gefahren. Wir wurden dort sehr weihnachtlich empfangen, man mußte sich nur ein wenig umstellen und die Handgranaten, die geworfen wurden, als Wunderkerzen vorstellen und die brennenden Fahrzeuge als die Sterne von Bethlehem.“

Mitunter äußerte er sich enthusiastisch über den Krieg. So schrieb er am 10. Januar 1943: „Am schönsten war es in der Kalmücksteppe, als wir zum ersten male mit dem Feinde wieder Fühlung nahmen.“ Im selben Brief steht: „Wir haben bis jetzt schon weit über 100 schwere Feindpanzer abgeschossen. Es hat bis jetzt noch immer Spaß gemacht, denn der Panzermann liebt den Panzerkrieg, er fordert immer seinesgleichen. Infanteristen zu überrumpeln ist keine Leistung. Inzwischen ist mein Wagen auch mal wieder abgetroffen worden, auch unsere sind noch zu knacken. Wir haben 9 Treffer drauf gekriegt, ich habe Gott sei dank nichts mitgekriegt.“

In Stalingrad dem Kessel entkommen

Nach der Schlacht um Stalingrad überwog bei Aloys hingegen die Erleichterung, nicht „das Schicksal mit der 6. Armee geteilt“ zu haben. Er habe mit seiner Einheit 30 Kilometer entfernt von Stalingrad gelegen und sei nur durch Glück nicht in den Kessel geraten. Acht bis zehn Tage musste er ununterbrochen im Panzer verbringen, „an Schlaf war überhaupt nicht mehr zu denken, wir waren uns ja auch drüber im Klaren, was auf dem Spiel stand. Aber das war alles nicht so schlimm. Die Hauptsache war, daß wir erst mal aus dem (Hexen)Kessel wieder gut raus kamen.“

Aloys kämpfte an weiteren Fronten, unter anderem in Polen. Im März 1945 wurde er bei Frauenburg (heute Saldus) in Lettland als vermisst gemeldet, sein Leichnam ist bis heute nicht geborgen. An ihn erinnert ein Eintrag im Namenbuch der Kriegsgräberstätte Saldus.  

Feldpost von Anton

Auch der zwei Jahre ältere Bruder Anton, geboren am 27. September 1919 in Neuenheerse, schrieb Feldpostbriefe an Schwester Anna. Anton diente als Unteroffizier in einem Fallschirmregiment. Eingesetzt war er ebenfalls an der Ostfront und in Italien. In einem Brief vom 30. Januar 1942 äußerte er sich zum Kriegsgeschehen so: „[…] die Erfolge der Kriegstaktik des Generalobersten Rommels sind doch außerordentlich. Die Soldaten, die unter seinem Kommando stehen, können doch wirklich stolz sein.“ Kritischer schreibt er über ein Wehrmachtsgefängnis in Breslau, das er als „Festung Glatz“ bezeichnete. „Was Festung für einen Soldaten bedeutet, werdet ihr ja auch wohl wissen. Gott soll doch hüten, daß ich nicht eines Tages statt Begleiter der Begleitete bin.“  1943 konnte Anton die Weihnachtsfeiertage mit der Familie verbringen. Ein Foto zeigt ihn mit seinen Brüdern Aloys und Josef.

Am 13. oder 15. September wurde Anton Sökefeld bei Abwehrkämpfen in Frankreich in der Nähe von Tonnoy an der Mosel durch einen Kopfschuss getötet. Er ruht auf der deutschen Kriegsgräberstätte des Volksbundes in Andilly.  

Fünf Todesmitteilungen

Die Familie Sökefeld hatte weitere Söhne zu betrauern: Der älteste der fünf Brüder, Johannes, starb als Panzergrenadier bei Kämpfen um Allenstein kurz vor Kriegsende am 29. Januar 1945. Liborius, Grenadier eines Infanterie-Regiments, fiel bereits in den ersten Kriegstagen im September 1939 bei einem Waldgefecht bei Krupocia in Polen.

Das letzte Kriegsopfer der Familie Sökefeld ist Josef Johannes, genannt „Jupp“. Josef wurde am 10. Februar 1914 in Neuenheerse geboren und diente als Feldwebel in einem Pionier-Bataillon. Ihm wurde das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. In einem Brief vom 1. Oktober 1941 berichtet er, dass er die Schlacht in Kiew gegen die Russen gut überstanden habe und dass ihn der schnelle Rückzug des Feindes überrascht hatte. Die „Deutsche Wochenschau“ habe seine Einheit bei der Überquerung der Dnjepr gefilmt.

Josef Sökefeld fiel am 3. Februar 1945 während der Kämpfe um Pillau in Ostpreußen. Sein Name ist im Namenbuch für die Kriegsgräberstätte Klaipeda in Litauen verzeichnet. Am 22. April 2023 fand dort zum 25. Jahrestag der Kriegsgräberstätte in Klaipeda (früher: Memel) eine Gedenkveranstaltung mit Angehörigen der begrabenen Kriegstoten statt.

Zur Kriegsgräberstätte Klaipeda

Bereits während des Ersten Weltkrieges forderten die Kämpfe im Memelgebiet zahlreiche Opfer. Etwa 100 Soldaten erhielten 1915 an diesem Ort ihre letzte Ruhestätte. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Friedhof erweitert. Bis 1945 kamen etwa 1.300 Gefallene hinzu. Die meisten Soldaten starben bei den Rückzugskämpfen im Herbst 1944.

1995 begann der Volksbund, das Friedhofsgelände als Sammelfriedhof für deutsche Gefallene aus den Bezirken Klaipeda (Memel), Telsiai (Telschen), Siauliai (Schaulen), Taurage (Tauroggen) und Raseiniai (Raseinen) neu zu gestalten. Nach Ende der Umbettungen werden hier etwa 5.000 Tote ihre letzte Ruhestätte haben. Am 28. August 1998 wurde die Anlage der Öffentlichkeit übergeben.