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Zur Höhe des Pflichtteilsanspruchs – Wann ist bei der Wertermittlung einer Immobilie ein zweites Sachverständigengutachten erforderlich?

Zur Höhe des Pflichtteilsanspruchs – Wann ist bei der Wertermittlung einer Immobilie ein zweites Sachverständigengutachten erforderlich?

Die Einhaltung eines weiteren Gutachtens durch einen zweiten Sachverständigen ist nur erforderlich, wenn besonders schwierige Fragen zu klären sind, wenn ein anderer Sachverständiger über mehr Wissen verfügt, wenn das Erstgutachten grobe Fehler aufweist oder wenn von falschen Voraussetzungen ausgegangen worden ist. Das entschied das OLG Brandenburg in seinem Urteil vom 20.3.2019, das die DVEV verkürzt wieder gibt.

(OLG Brandenburg, Urteil vom 20.3.2019, 4U 21/12, Beck RS2019, 4954) 

Der Fall

Die Klägerin war Tochter des im Jahr 2000 verstorbenen Erblassers und zusammen mit weiteren Familienmitgliedern testamentarische Miterbin. Sie schlug das Erbe aus und machte ihren Pflichtteil gegen über den Miterben geltend. Über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs gerieten die Parteien in Streit. Insbesondere wegen des durch Sachverständigengutachten ermittelten Wert seiner Immobilie verlangte die Klägerin ein Zweitgutachten einzuholen. Das OLG hatte zu entscheiden, ob das Zweitgutachten einzuholen ist oder nicht.

Die Entscheidung

Die Klägerin hat nach ihrer Erbausschlagung als Tochter des Erblassers einen Pflichtteilsanspruch in Geld, dessen Höhe sich auf die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils beläuft. Dabei geht man vom Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls aus. Da die Immobilie nicht zeitnah nach dem Erbfall verkauft wurde, musste ihr Wert geschätzt werden. Maßstab für die Schätzung ist der Verkehrswert, das heißt der Preis, der bei einem normalen Verkauf am Markt für die Immobilie zu erzielen gewesen wäre. Für die Ermittlung des Verkehrswerts hatte der Erstgutachter methodisch den Ertragswert, den Sachwert und den Vergleichswert ermittelt. Dabei stützte er sich auf das Grundbuch, die Richtwertliste, die Kauf- und Mietpreissammlungen, die Bebauungsplanunterlagen, die eigene Besichtigung der Immobilie im Beisein der neuen Eigentümer, die dem Sachverständigen eigene Lichtbilder zur Verfügung gestellt hatten und weitere Auskünfte erteilten. Mängel der Immobilie, die wertmindernd wirken, hatte der Sachverständige in seine Beurteilung aufgenommen. Er ging auch von einerseits - gemäßen Nutzungsdauer der Immobilie von 60 bis 80Jahren aus. WegenFehlens von Vergleichsobjekten, hatte der Sachverständige eine Plausibilitätskontrolle an Hand des Preisspiegels des Ring Deutscher Makler durchgeführt. Er hatte zudem verschiedene Wertermittlungsmethoden benutzt, aus denen er einen schematischen Mittelwert gebildet hatte. Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass das Gutachten sorgfältig erstellt war, weder besonders schwierige Fragen zu klären gewesen waren, noch dem Sachverständigen fehlendesWissen vorzuwerfen war, er Fehler gemacht hatte oder von falschen Vorstellungen ausgegangen war. Ein Zweitgutachten war daher nicht einzuholen.

DVEV-Expertenrat

Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, empfiehlt: „Ist eine Partei mit einem Sachverständigengutachten nicht einverstanden, so genügt es nicht, lediglich die eigene Sicht der Dinge darzulegen. Vielmehr ist es dringend empfohlen, einen eigenen Zweitgutachter zu beauftragen, der zumindest die Plausibilität des vorgelegten Gutachtens überprüft. Denn nur mit einem echten Experten lassen sich Fehler in einem Gutachten, die zu Wertveränderungen führen, tatsächlich auffinden und können so auch einem Gericht verdeutlichen, dass das vorliegende Gutachten mangelhaft ist. Schlägt man diesen Weg nicht ein, stehen die Chancen schlecht, dass das Gericht ein Zweitgutachten einholt, wieder Fall vor dem OLG Brandenburg belegt."

Weitere Informationen:

Fundstelle: (OLG Brandenburg, Urteil vom 20.3.2019, 4 U 21/12, Beck RS2019, 4954)

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)