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Vor- und Nacherbschaft im gemeinschaftlichen Testament

Vor- und Nacherbschaft im gemeinschaftlichen Testament

In einem gemeinschaftlichen Testament (Berliner Testament) ist nicht zwingend erforderlich, dass das Testament die Begriffe „Vor“- und „Nacherbe“ enthält. Von einer Vor- und Nacherbschaft ist aber nur dann auszugehen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die jeweiligen Vermögen der Eheleute getrennt vererbt werden sollen und der überlebende Ehegatte nicht Alleinerbe werden soll, entschied das OLG Brandenburg in seinem Beschluss vom 9.8.2021, den die DVEV verkürzt wiedergibt.
(OLG Brandenburg, Beschluss v. 9.8.2021, 3 W 67/21, BeckRS 2021, 24794)


Der Fall
Der Erblasser und seine Ehefrau verfassten 2007 ein mit „Berliner Testament“ übertiteltes handschriftliches Testament, in dem es heißt:
„ …. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Unsere Kinder sollen für den gesamten Nachlass nur die Erben des zuletzt Verstorbenen von uns sein. Verlangt eines unserer Kinder den Pflichtteil von dem überlebenden Ehegatten, so soll es nach dem Tod des zuletzt Verstorbenen nur den Pflichtteil erhalten.“
Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die überlebende Ehefrau einen Erbschein als Alleinerbin. Der gemeinsame Sohn des Ehepaares stellte sich dagegen und beantragte den Erbschein einzuziehen und die Mutter als befreite Vorerbin, und ihn und seine Schwester als Nacherben auszuweisen. Nach seiner Auffassung enthalte das gemeinschaftliche Testament die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft.


Die Entscheidung
Das OLG Brandenburg folgte der Sichtweise des Sohnes nicht. Es ist zwar nicht zwingend erforderlich, dass das Testament die Begriffe Vor- und Nacherbschaft enthält. Vielmehr kommt es darauf an, dass im Testament der Wille der Testierenden zu Tage tritt, dass beim Tod des länger lebenden Ehegatten das Gesamtvermögen getrennt nach dem Vermögen des Vorverstorbenen und dem Eigenvermögen des Überlebenden vererbt werden, folglich als je getrennte Vermögensmassen auf die (Nach-)Erben übergehen sollen. Dafür sieht das OLG keine Anhaltspunkte. Vielmehr haben die Eheleute mit der Formulierung „dass unsere Kinder für den gesamten Nachlass nur die Erben des zuletzt Verstorbenen von uns sein sollen“ die Verschmelzung der beiden Vermögen in der Hand des Überlebenden gewollt. Auch ist die Pflichtteilsstrafklausel kein Hinweis auf eine Trennung der Vermögen. Sie findet sich typischerweise bei der Einsetzung von Schlusserben in einem Berliner Testament. Sie soll diese beim ersten Erbfall davon abhalten, Ansprüche gegen den überlebenden Ehegatten geltend zu machen. In Zweifelsfällen enthält § 2269 Abs. 1 BGB eine eindeutige Auslegungsregel. Sie besagt, dass in einem gemeinschaftlichen Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als Erben einsetzen und nach dem Tod des Überlebenden der Nachlass an einen Dritten fallen soll, der Dritte als Erbe des gesamten Nachlasses des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist. Die überlebende Ehefrau ist also zu Recht als Alleinerbin ausgewiesen worden.


DVEV-Expertenrat
Der Fall zeigt, dass zunehmend versucht wird, Testamente umzudeuten , um die eigene erbrechtliche Position zu verbessern. Auch auf den ersten Blick korrekt formulierte Testamente werden so zu einem Streitfall vor Gericht. Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, empfiehlt deshalb, Testamente mit Hilfe von Erbrechtsexperten in Bezug auf den Vermögensübergang so präzise zu formulieren, dass Interpretationen so weit wie möglich ausgeschlossen werden.

Weitere Informationen

Fundstelle: OLG Brandenburg, Beschluss v. 9.8.2021, 3 W 67/21, BeckRS 2021, 24794

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)