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Darf der befreite Vorerbe ein Grundstück aus der Erbmasse verkaufen?

Darf der befreite Vorerbe ein Grundstück aus der Erbmasse verkaufen?

Der befreite Vorerbe darf über ein Grundstück aus der Erbmasse verfügen, wenn der Erbmasse eine gleichwertige Gegenleistung zufließt, die Verfügung also kein Opfer aus der Erbmasse ist. Bei der Abwägung des Wertes von Leistung und Gegenleistung hat der Vorerbe einen Ermessensspielraum und kann sich am Wertgutachten des Gutachterausschusses einer Gemeinde orientieren, entschied das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 29.5.2018, den die DVEV gekürzt wiedergibt.

(OLG Stuttgart, Beschluss v. 29.5.2018, 8 W 146/18, BeckRS 2018, 10901)

Der Fall

Die Erblasserin hatte in einem Erbvertrag ihren Ehemann zum alleinigen befreiten Vorerben, ihre Eltern zu Nacherben nach seinem Ableben eingesetzt. Der Ehemann verkaufte ein zum Nachlass gehörendes Grundstück an einen unbeteiligten Dritten zum Preis von 485.000 €. Dabei orientierte er sich an einem Verkehrswert von 472.000 €, den der Gutachterausschuss der Gemeinde festgestellt hatte. Die Nacherben wandten sich gegen den Verkauf und die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch. Sie argumentierten, sie hätten dem Verkauf zustimmen müssen und der Verkehrswert des Grundstücks betrage mindestens 700.000 €.

Die Entscheidung

Das OLG hatte zu entscheiden, ob der Verkauf des Grundstücks durch den befreiten Vorerben wirksam war. § 2113 BGB verbietet Verfügungen des Vorerben über Grundstücke, wenn dadurch in die Rechte der Nacherben eingegriffen wird. Gemeint ist eine unentgeltliche Verfügung. Die liegt vor, wenn der Vorerbe ohne gleichwertige Gegenleistung ein Opfer aus der Erbmasse bringt und ihm das auch bewusst ist. Dabei gestehen die Gerichte dem Vorerben bei der Abwägung von Leistung und Gegenleistung einen gewissen Ermessenspielraum zu. Der Vorerbe orientierte sich am Wertgutachten der Gemeinde. Damit bewegte er sich innerhalb des Ermessenspielraums, denn Wertgutachten der Gutachterausschüsse der Gemeinden gelten als sachkundige Quelle. Es lagen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Vorerbe wusste, dass der Kaufpreis nicht angemessen war oder das Grundstück tatsächlich einen Verkaufspreis von 700.000 € hätte erzielen können. Deshalb gab das OLG dem Vorerben Recht, denn er hatte eine dem Wert des Grundstücks entsprechende Gegenleistung erhalten und durfte deshalb ohne Zustimmung der Nacherben verkaufen.

DVEV-Expertenrat

Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, empfiehlt, bei der Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen nicht nur den eigenen letzten Willen festzuhalten, sondern auch an die Abwicklung des Nachlasses zu denken. „Nicht alle möglichen Konflikte können vorausgesehen werden. Aber im Erbvertrag hätte festgelegt werden können, zu welchen Bedingungen der Vorerbe das Grundstück verkaufen durfte, ob beispielsweise ein Wertgutachten des Gutachterausschusses der Gemeinde als Grundlage für die Wertbemessung für ein Grundstück dienen darf. Diese Vorgaben hätten den Erbrechtsstreit zwischen dem Vorerben und den Nacherben vermieden."

Weitere Informationen:

Fundstelle: OLG Stuttgart, Beschluss v. 29.5.2018, 8 W 146/18, BeckRS 2018, 10901

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)