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Der Pflichtteilsberechtigte hat ein Einsichtsrecht in die Nachlassakte

Der Pflichtteilsberechtigte hat ein Einsichtsrecht in die Nachlassakte

Dem Pflichtteilsberechtigten steht ein Recht auf Einsicht in die Verfahrensakten des Erbscheinsverfahrens, einschließlich des von dem Erben ausgefüllten Wertfragebogens zu.

(OLG Hamm, Beschluss v. 26.8.2016, 15 W 73/16, BeckRS 2016, 20453)

 

Jeder hat das Recht, seine nächsten Angehörigen mittels eines Testaments zu enterben. Dazu zählen die Ehefrau, die Kinder und Enkelkinder, die Eltern - falls keine Kinder und Enkel vorhanden sind. Entgegen landläufiger Meinung bedeutet das nicht, dass diese Personengruppe nichts vom Nachlass bekommt. Pflichtteilsberechtigte sind zwar von der Rechtsnachfolge ausgeschlossen, haben also kein Mitbestimmungs- und Zugangsrecht, ihnen steht jedoch der Pflichtteil zu, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Diese rechtliche Stellung des Pflichtteilsberechtigten macht es schwer, wenn nicht unmöglich, den Wert des Nachlasses zu erfahren. Vom Wert hängt wiederum die Höhe des Pflichtteilsanspruchs ab. Die Frage stellt sich, ob der Pflichtteilsberechtigte mittels Akteneinsicht den Wert des Nachlasses erfahren darf.  

Die Entscheidung

In seiner Entscheidung stellt das OLG Hamm klar: Am Erbscheinsverfahren sind alle zu beteiligen, denen durch ein Testament Rechte genommen wurden oder gewährt werden. Dazu gehört der Pflichtteilsberechtigte, weil er vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen wurde. Das OLG Hamm spricht dem Pflichtteilsberechtigten ein berechtigtes Interesse zu, vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu erfahren. Ihm steht somit Akteneinsicht zu, in alle schriftlichen Unterlagen, die zur Beurteilung des Verfahrensstoffs gehören. Dazu gehört auch der von den Erben ausgefüllte Wertfragebogen. Dass der Pflichtteilsberechtigte sich die Kenntnis auch aus anderen Quellen beschaffen kann, steht diesem Recht nicht entgegen. Ein schutzwürdiges Interesse der übrigen Beteiligten, den Wertfragebogen von der Akteneinsicht auszunehmen, sieht das Gericht nicht.

Der DVEV-Expertenrat

Jan Bittler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht, Heidelberg, Geschäftsführer der DVEV, empfiehlt: „Da das Erbrecht kompliziert ist, kursieren häufig falsche Vorstellungen über die Rechte der enterbten Pflichtteilsberechtigten. Für diese bedeutet enterbt nicht, keine Rechte am Nachlass zu haben. Betroffenen ist dringend zu empfehlen, juristischen Rat einzuholen, denn die Rechte der Pflichtteilsberechtigten verjähren in der Regel nach 3 Jahren, beginnend mit Endes des Jahres, in dem sich der Erbfall ereignet hat.

Weitere Informationen:

Fundstelle: OLG Hamm, Beschluss v. 26.8.2016, 15 W 73/16, BeckRS 2016, 20453

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)