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Im Testament verordnete Pflichtbesuche sind sittenwidrig

Im Testament verordnete Pflichtbesuche sind sittenwidrig

Macht der Erblasser die Erbeinsetzung von Pflichtbesuchen bei ihm abhängig, dann ist diese aufschiebende Bedingung sittenwidrig und damit nichtig. Die Nichtigkeit dieser Bestimmung führt jedoch nicht dazu, dass die Enterbten nicht aus anderen Gründen Erben werden können, entschied das OLG Frankfurt in seinem Beschluss v.5.2.2019, den die DVEV in seinen wesentlichen Teilen verkürzt wiedergibt.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 5.2.2019, 20W98/18, Beck RS2019, 1992) 

Der Fall

Der Erblasser bestimmte testamentarisch, dass nach seinem Tod seine zweite Ehefrau 25% des Vermögens, sein Sohn D aus erster Ehe ebenfalls 25% und die Enkelkinder F und E, Kinder seines zweiten Sohnes B aus erster Ehe, 50% erhalten sollen. Die Enkelkinder sollten allerdings nur dann Erben werden, wenn sie den Erblasser regelmäßig, d.h. mindestens 6 Mal im Jahr besuchten. Sollten sie es nicht tun, wären sie enterbt und die 50% fielen der zweiten Ehefrau und dem Sohn D zu. Da die Enkelkinder den Großvater nicht in verlangter Häufigkeit besuchten, stellte das Nachlassgericht einen Erbschein aus, der die zweite Ehefrau und D zu jeweils 50 % als Erben auswies. Dagegen legten die Enkel Beschwerde ein. Das OLG Frankfurt hatte zu entscheiden, ob die Enterbung der Enkel rechtmäßig war. 

Die Entscheidung

Art.14GG garantiert die Testierfreiheit. Damit kann der Erblasser die Erbfolge grundsätzlich nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Seine Gestaltungsfreiheit wird allerdings durch die Sittenwidrigkeit begrenzt, die vorliegt,  wenn die Entschließungsfreiheit einer Person beeinträchtigt ist. Wird jemand unter Druck gesetzt und wird dadurch sein Verhalten beeinflusst, liegt Sittenwidrigkeit vor. Der Erblasser stellte mit der Erbschaft einen wirtschaftlichen Anreiz in beträchtlicher Höhe in Aussicht. Damit wollte er ein bestimmtes Verhalten "erkaufen". Das setzte die Enkel unter Druck, die gewünschten Besuche zu absolvieren. Ihre freie Willensbildung war beeinträchtigt. Das OLG beurteilte dies als sittenwidrig und die Erbeinsetzung damit als nichtig. Das OLG prüfte weiterhin, ob der Erblasser seine Enkelkinder auch dann als Erben eingesetzt hätte, wenn er von der Nichtigkeit der Besuchspflicht gewusst hätte. Gerade der Wunsch nach Besuchen zeige, dass dem Erblasser die Enkelkinder wichtig waren und ihm viel an der persönlichen Beziehung gelegen war. Das OLG legte den Willen des Erblassers deshalb dahin aus, dass er die Enkelkinder auch bei Nichtigkeit der Bedingung als Miterben eingesetzt hätte. Die Enkelkinder erhielten Recht und wurden damit Erben zu 50 %. 

DVEV-Expertenrat

"Im Erbrecht ist vieles im Rahmen der Testierfreiheit möglich, aber der Gesetzgeber setzt Grenzen", gibt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, zu bedenken. "Es ist nicht empfehlenswert diese Grenzen durch zweifelhafte Druckmittel im Testament auszureizen. Denn gegebenenfalls erklären Gerichte solche Klauseln für unwirksam und es ist nicht mehr gewährleistet, dass der Wille des Erblassers Beachtung findet. Wer sein Erbe an spezielle Bedingungen knüpfen möchte, sollte dringend eine sorgfältige Beratung durch einen Erbrechtsexperten einholen". 

Weitere Informationen:

Fundstelle: OLG Frankfurt am Main, Beschlussv. 5.2.2019,20W98/18, Beck RS2019, 1992

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)