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Testierfähig trotz Betreuung

Testierfähig trotz Betreuung

Verneint ein fachärztliches Attest die Testierfähigkeit bei einem Betreuten nicht zweifelsfrei, so ist für die Erbfolge davon auszugehen, dass die Testierfähigkeit vorliegt, so das OLG München in seinem Beschluss vom 31.10.2014.

(Beschluss vom 31.10.2014, 34 Wx 293/14, BeckRS 2014, 20760)

Der Fall

Der Erblasser stand wegen einer psychischen Krankheit unter Betreuung. Ein am 16.3.2009 erstelltes Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie bescheinigte ihm in der Gesamtwertung seiner Person die Testierfähigkeit. Daraufhin ließ er am 30.3.2009 ein notarielles Testament errichten, in dem auch der Notar feststellte, dass nach seiner in der Verhandlung gewonnenen Überzeugung beim Testierenden volle Geschäfts- und Testierfähigkeit vorlag. Nach dem Tod des Erblassers weigerte sich das Grundbuchamt, die Grundbücher aufgrund des eröffneten notariellen Testaments zu berichtigen. Es bezog sich auf weitere fachärztliche Gutachten, die nach der Testamentserrichtung im Rahmen des betreuungsgerichtlichen Verfahrens angefertigt worden waren. Darin wurde zum Teil uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit verneint.

Liegt ein notarielles Testament vor, reicht dies grundsätzlich für den Nachweis der Erbfolge aus. Die bestehende Betreuung als solche berührt die Testierfähigkeit nicht. Auch für einen Betreuten besteht die Vermutung, dass er testierfähig ist. Selbst wenn nicht alle Gutachten in jeder Hinsicht völlig deckungsgleich sind, liegen keine zureichenden Gründe für ernsthafte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers vor, so das OLG München. Denn das Gesetz verbindet nicht mit jeder - auch schwerwiegenden - geistigen Erkrankung des Testierenden dessen Testierunfähigkeit. Notwendig ist vielmehr, dass die krankhafte Störung gerade die Erwägungen und Willensentschlüsse bei Errichtung der letztwilligen Verfügung derart beeinträchtigt, dass sie davon beherrscht werden. Dafür sah das Gericht keine Anhaltspunkte. Denn die vom Grundbuchamt hinzugezogenen späteren fachärztlichen Gutachten bezogen sich auf die Geschäftsfähigkeit und nicht auf die Testierfähigkeit des Erblassers. Das Grundbuchamt hätte die Berichtigung nicht verweigern dürfen.

Rechtstipp

Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der DVEV, führt dazu aus: "Es ist leider zu beobachten, dass Testamente viel zu spät errichtet werden. Dann entsteht leicht Streit um die Frage, ob zu einem solch späten Zeitpunkt noch Testierfähigkeit bestanden hat. Dies wird am besten vermieden durch eine frühzeitige Testamentserstellung. Könnte Streit über eine Testierunfähigkeit bestehen, ist folgendes anzuraten: Es sollte ein neurologisches Gutachten bei einem entsprechend qualifizierten Neurologen oder Psychiater zeitnah zur Testamentserrichtung und bezogen auf die Frage der Testierfähigkeit eingeholt werden. Im Zweifel gilt aber immer: Nicht die Testierfähigkeit muss bewiesen werden, sondern die Testierunfähigkeit."

Autorin: DVEV-Mitglied Rechtsanwältin Melanie Scharf, Kanzlei Rudolf & Kollegen, Angelbachtal

Weitere Informationen:

Fundstelle: BGH Beschluss vom 31.10.2014, 34 Wx 293/14, BeckRS 2014, 20760

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)