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Vorsicht bei Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament

Vorsicht bei Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament

Macht ein Pflichtteilsberechtigter, trotz Kenntnis von der Pflichtteilsstrafklausel, seinen Pflichtteil bewusst und ernsthaft geltend, verstößt er bereits gegen die Pflichtteilsstrafklausel. Die erfolgreiche Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs ist dafür nicht mehr erforderlich, entschied das OLG Köln in seinem Beschluss vom 27.9.2018, den die DVEV verkürzt wiedergibt.

(OLG Köln, Beschluss vom 27.9.2018, 2 Wx 314/18, BeckRS 2018, 25213)

Der Fall

Die Eheleute verfassten 1999 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten und ihre Kinder F, M, I und D als Schlusserben zu gleichen Teilen. Sie fügten folgende Pflichtteilsstrafklausel ein: "Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden vom Überlebenden seinen Pflichtteil fordern, so soll es auch nach dem Tode des Überlebenden auf den Pflichtteil beschränkt bleiben." Nach dem Vorversterben der Ehefrau verlangte die I im Jahr 2001, ohne formell einen Pflichtteilsanspruch zu stellen, mit mehreren Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses. Zudem verlangte sie einen Betrag von 10.000 DM. Im Weigerungsfall drohte sie mit dem Stellen eines formellen Pflichtteilsanspruchs. Der Erblasser überwies das Geld. Er verstarb im Jahr 2017. Die I beantragte einen Erbschein, sie als Erbin zu einem Viertel einzutragen. Nachdem das Nachlassgericht den Antrag zurückgewiesen hatte, musste das OLG Köln entscheiden, ob die I Miterbin war oder ob sie gegen die Pflichtteilsstrafklausel verstoßen hatte.

Die Entscheidung

Ein Verstoß gegen die Pflichtteilsstrafklausel bewirkt, dass der Schlusserbe nach dem Tod des Überlebenden nur den Pflichtteil verlangen kann, der nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. Sie will sicherstellen, dass der überlebende Ehegatte bis zu seinem Tod vor Pflichtteilsansprüchen der Schlusserben verschont bleibt und ihm der Nachlass ungeschmälert zu Verfügung steht. Der Schlusserbe verstößt gegen die Pflichtteilsstrafklausel, wenn er den Pflichtteil bewusst und ernsthaft, in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklausel, geltend macht. Die Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der I bringen ernsthaft zum Ausdruck, dass sie im Falle der Nichtzahlung eine Pflichtteilsforderung stellen werde. Durch dieses Schreiben wurde der Erblasser dazu gebracht, das Geld zu überweisen. Damit wurde der überlebende Ehegatte Belastungen ausgesetzt, vor denen ihn die Pflichtteilsstrafklausel gerade schützen wollte. Das OLG sah es als unerheblich an, ob der Pflichtteilsanspruch objektiv in dieser Höhe bestanden hätte und ob die Zahlung als geleisteter Pflichtteil anzusehen ist. Damit war der Antrag der I auf Erteilung eines Erbscheins zu Recht abgewiesen worden.

DVEV-Expertenrat

Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, meint dazu: "Die Pflichtteilsstrafklausel schützt nur bedingt vor Ansprüchen der Schlusserben. Auch wenn diese im Wert nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt, kann es für den Überlebenden schwierig oder unmöglich sein, diesen zu zahlen, so z. B. wenn der Nachlass überwiegend aus einem Hausgrundstück besteht und keine weiteren Geldmittel vorhanden sind. Dann bleibt dem Überlebenden oft nur der Verkauf des Hauses, einhergehend mit dem Verlust des Wohnsitzes. Mit Hilfe eines Erbrechtsexperten kann in solchen Fällen immer eine individuelle testamentarische Lösung gestaltet werden."

Weitere Informationen:

Fundstelle: OLG Köln, Beschluss vom 27.9.2018, 2 Wx 314/18, BeckRS 2018, 25213

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)