Vorsicht Vollmacht - Wie weit geht der Rechenschaftsanspruch des Erben?
Vorsicht Vollmacht - Wie weit geht der Rechenschaftsanspruch des Erben?
OLG Köln, Urteil vom 19.09.2012, 16 U 196/11, BeckRS 2013, 01040
Vollmachten müssen wohl bedacht sein: Mit einer Vorsorgevollmacht möchte der Vollmachtgeber sicher stellen, dass er durch einen vertrauten Menschen vertreten wird. In Familien ist es üblich, dass Eheleute sich gegenseitig oder ein Kind bevollmächtigen. „Doch eine Vorsorge- oder Kontovollmacht hat zwei Seiten. Sie bringt Erleichterungen für den Vollmachtgeber, für den Bevollmächtigten hingegen Pflichten“, so Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV).
Das zeigt der folgende Fall aus der Praxis: Die Erblasserin erteilte ihrer Tochter eine Bankvollmacht und bat sie, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, als sie sich selbst hierzu gesundheitlich nicht mehr in der Lage fühlte. Zu ihrem Sohn hatte sie wenig Kontakt. Als sie Jahre später starb, untersuchte der Sohn die Kontounterlagen der Mutter und stellte zahlreiche Barabhebungen fest, die die Tochter auch umgehend einräumte. Nun verlangte der Sohn von seiner Schwester den Beweis, dass sie jeden Heller und Pfennig auch tatsächlich für die Mutter verwendet hatte. Dem konnte sie nicht nachkommen, da sie weder ein Haushaltsbuch geführt noch Quittungen aufgehoben hatte. Sie wurde von ihrem Bruder auf Rückzahlung der Barabhebungen verklagt.
Die Rechtslage
Der Bevollmächtigte ist gegenüber den Erben zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet, wenn zwischen ihm und dem Vollmachtgeber ein Auftragsverhältnis bestand. Erfolgt die Erteilung der Vollmacht jedoch ausnahmsweise aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses, wird ein Auftragsverhältnis verneint und somit keine Auskunft oder Rechenschaft geschuldet.
Ein solches Vertrauensverhältnis wurde vom BGH bereits bei Ehegatten angenommen, die die Aufgabenbereiche so geregelt hatten, dass einer von ihnen die Wirtschaftsführung alleine übernimmt. Der wirtschaftende Ehegatte genoss durch die Aufgabenregelung besonderes Vertrauen. Ihm darf daher nicht einseitig das Risiko auferlegt werden, die familienbezogene Verwendung der Gelder zu belegen.
In seiner Entscheidung vom 19.09.2012 hat das OLG Köln ein solches besonderes Vertrauensverhältnis auch dann bejaht, wenn die Tochter nicht nur eine Bankvollmacht hatte sondern sich auch in gesteigertem Maße um ihre Mutter kümmerte. Bestehen jedoch Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten und seiner Geschäftsführung, dann lebt die Rechnungslegungspflicht wieder auf.
Der Expertenrat
Jan Bittler rät deshalb allen Bevollmächtigten, auch weiterhin sorgfältig Buch zu führen und die Belege aufzubewahren. Das kann dazu beitragen, Streit zwischen den Erben zu vermeiden und Missbrauchsvorwürfen vorzubeugen. Es empfiehlt sich auch in einem von der Vollmacht getrennten Vertrag zu regeln, dass bei monatlichen Bargeschäften bis zu einem bestimmten Betrag keine Nachweispflicht gegenüber den Erben besteht. Eine solche Regelung ist eine enorme Erleichterung für den Bevollmächtigten, der dann nicht mehr über Kleinstbeträge und jeden gekauften Artikel Rechenschaft ablegen muss.
Autorin: DVEV-Mitglied Rechtsanwältin Melanie Scharf, Kanzlei Rudolf und Kollegen, Angelbachtal
Weitere Informationen: www.dvev.de; www.erbrecht.de