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Italien: Innenansichten aus dem Referat Bau

Unterwegs mit Daniela Lehmann in Cassino, Pomezia und am Futa-Pass
Ein Artikel von Christiane Deuse

„Die Welt verändert sich – da müssen wir mitgehen“, sagt Daniela Lehmann und bricht auf. Von Niestetal bei Kassel geht es nach Süden, über die Alpen, bis auf drei von 14 Kriegsgräberstätten, die der Volksbund in Italien pflegt. Diese Inspektionsreise zeigt, was im Referat Bau den Alltag ausmacht. Volksbund-Innenansichten sind es, die an den Beispielen Cassino, Pomezia und Futa-Pass sowohl spezielle als auch typische Themen beleuchten.

Cassino – Schlusspunkt und Ausgang

Auf der Kriegsgräberstätte Cassino zwischen Rom und Neapel geht’s hektisch zu, als Daniela Lehmann und Andrea Fritzsche (Öffentlichkeitsarbeit) ankommen. Nur noch wenige Tage bleiben bis zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung. Für die internationale Gedenkveranstaltung laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren – die Bundeswehr reist zu einem Pflegeeinsatz an.

Der instandgesetzte Ausstellungsraum ist fertig und muss abgenommen werden – offizieller Schlusspunkt nach einem Kontrollgang mit der Firma. Im Gespräch mit Friedhofsverwalter Eugenio Pezza geht es außerdem um ein Dach und ein Tor.

In Italien hat sich ein Gesetz geändert: Eternit-Dächer – wie auf dem Wirtschafts- und Maschinengebäude – sind jetzt verboten. „Natürlich müssen wir hier reagieren. Wir nehmen uns solcher Maßnahmen nach und nach an. Wenn kurze Fristen einzuhalten sind, kann das schon eine große Herausforderung sein, zumal diese Projekte nicht finanziell eingeplant sind“, sagt die Referatsleiterin.

Bronzepfeile zum Notausgang?

Eine Herausforderung ist auch der Colle Marino, der Hang, an dem die Kriegsgräberstätte liegt. Etliche Höhenmeter sind bis zum Hochkreuz zu bewältigen. Ein weiter Blick über die Anlage ist nicht möglich. Wenn im Sommer abends das Tor unten verschlossen wird, sind nicht selten noch Besucherinnen und Besucher irgendwo auf den Gräberfeldern unterwegs. Was tun?

Ein „Fluchtsystem“ soll sie künftig zu einem Notausgang leiten – vielleicht mit deutlichen, aber nicht zu auffälligen bronzefarbenen Pfeilen an den Mauern. Sie könnten zu einem Seitentor führen, das nur von innen zu öffnen ist. Auch um dieses Thema ging es in den Gesprächen mit dem Team in Cassino.

Pomezia: Gas oder Strom?

Mit der Zeit gehen, weil sich die Welt verändert – das trifft auf die Kriegsgräberstätte Pomezia besonders zu. Auch hier sind es Themen mit Tragweite um vieles: von einer Immobilie bis zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Zum einen steht das Verwalterwohnhaus leer und soll wieder vermietet werden. Mindestens 20 solcher Häuser hatte der Volksbund weltweit vor Jahrzehnten auf Kriegsgräberstätten bauen lassen, als die Anforderungen noch andere waren. Service für die Besucher in „analogen“ Zeiten und mehr Schutz für die Anlagen waren zwei der Gründe.

In Pomezia ist der letzte Verwalter ausgezogen und weil die Geschäftsstelle Süd des Volksbundes im benachbarten, großen Gebäude ihre Büros hat, hat das Team dort – Nancy Menegoni und Tina Montepaone – die Verwaltungsaufgaben übernommen.

Heute Kochplatten, morgen Solarstrom?

Unter demselben Dach kocht die Bundeswehr bei Pflegeeinsätzen – doch die Gasinstallation wurde überraschend nicht mehr abgenommen. „Was machen wir in diesen Zeiten?“, fragt Daniela Lehmann. „Setzen wir weiter auf Gas? Putins Krieg betrifft uns auch hier.“

Die Referatsleiterin muss gleichzeitig kurz- und langfristig denken, in kleinen und großen Dimensionen. Denn jeder Euro – ob gespendet oder aus Steuern bezahlt – soll sinnvoll ausgegeben sein. Also kauft sie fürs Erste zwei elektrische Kochplatten und spricht mit den italienischen Kolleginnen über die langfristige Nutzung des Gebäudes. Ist Solarstrom vielleicht die Lösung?

Auch die riesige Toranlage zur Bundesstraße hin ist Thema. Aktuelle Sicherheitsrichtlinien sind der Anlass, die Nachbesserungen erforderlich machen. Dann geht es ans Kleinteilige und Daniela Lehmann schnallt sich einen Freischneider um. Sie lässt sich den Maschinen- und Fuhrpark zeigen und Vor- und Nachteile von Akku-Geräten erklären. Jetzt hat sie eine Ahnung davon, was es heißt, Tausende Grabzeichen frei zu schneiden. „Wir sollten wissen, was wir den Leuten in ihrem Arbeitsalltag zumuten“, sagt sie.

Am Futa-Pass, am „Götterweg“

Auf dem Futa-Pass, der größten Kriegsgräberstätte in Italien auf fast 1.000 Metern Höhe, geht es um morsches Holz und Touristen in Scharen. Ein Holzhaus – Unterkunft für die Bundeswehr bei Pflegeeinsätzen – musste abgerissen werden. Auch hier steht die offizielle Abnahme nach Abschluss der Arbeiten an. Inzwischen steht ein neues Haus. Und auch die Betonsanierung an der Gedenkhalle im vergangenen Jahr ist Thema.

Eine Fernwanderroute – der „Götterweg“ – spült Besucher nicht nur vorbei, sondern auch auf die Kriegsgräberstätte. Seit einigen Jahren ist der Bekanntheitsgrad der „Via degli Dei“ deutlich gestiegen. Rund 15.000 sind es geschätzt allein im August jedes Jahr – eine bunte Mischung aus Wanderern und denen, die die um der Kriegsgräberstätte willen kommen.
 

Zum vierten Mal am Grab des Onkels

Ein Ehepaar etwa ist wegen eines Grabes hier: Zum vierten Mal besuchen Dr. Wolfgang Müller und Edith Müller-Puchas  aus Graz den Ort, wo ihr Onkel, Johann Puchas, beerdigt ist. Er starb am 23. April 1945 mit 22 Jahren und wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Das Paar ist auf der Durchreise. Das Urlaubsziel: Florenz. Angehörige wie sie stoßen über die „Gräbersuche online“ des Volksbundes auf diese Anlage und besuchen sie gezielt.

Auch mit Benjamin Augustus kommen die Volksbund-Mitarbeiterinnen ins Gespräch. Der junge Mann hat eine Auszeit genommen, um den Götterweg als Pilger zu „erwandern“. Er interessiert sich sehr für die Volksbund-Arbeit. Doch viele andere, die – wie er – zufällig  an das Tor kommen, wissen nicht, was das für ein Ort ist – und verhalten sich nicht angemessen.

„Wir überlegen, was wir tun können, damit die Kriegsgräberstätte ein würdevoller Ort bleibt“, sagt Daniela Lehmann. Zusätzliches Mobiliar ist erforderlich, zusätzliche Beschilderungen und auch die Aufpflanzung der Hecken, damit die Wanderer nicht weiterhin über die Mauern steigen.

Gerade hier, auf der größten deutschen Kriegsgräberstätte in Italien, ist der Austausch mit Friedhofsverwalter Michael Caldari und seinem Team besonders wichtig. Denn die Fläche und klimatischen Bedingungen bringen besondere Herausforderungen mit sich – auch für die Bausubstanz. Gemeinsam alles anschauen, sich Sorgen und Nöte anhören und zusammen überlegen, wie sich Probleme lösen lassen – das ist eines der wichtigsten Ziele dieser Reise.

 

Von Sinnhaftigkeit in Zeiten des Krieges

Als die beiden Besucherinnen aus Kassel am fünften Tag über die Alpen zurückfahren, haben die Begegnungen und Gespräche die tiefsten Eindrücke hinterlassen. „Unsere Kollegen auf den Anlagen sind stolz, wenn sie uns ihre Arbeit zeigen. Und sie wissen genau, wofür sie das tun. Es ist so schön zu sehen, wie sie sich mit diesen Orten identifizieren“, sagt Daniela Lehmann. Und: „Die Teams freuen sich sehr, wenn ihre Arbeit die Anerkennung findet, die ihr gebührt.“

Etwas haben die beiden darüber hinaus auch deutlich gespürt: dass sich die Sinnhaftigkeit in Zeiten des Krieges ändert. „Es ist allen noch mehr bewusst geworden, wie wichtig die Volksbund-Arbeit und wie wichtig ihr Engagement vor Ort ist.“
 

Weiter lesen …

… Sie online an verschiedenen Stellen:

Einblick in die Arbeit des Referats Bau gibt ein Artikel in der Arbeitsbilanz 2021 (S. 8/9):
„Wanderung auf schmalem Grat“

Alle 14 Kriegsgräberstätten in Italien sind in Kurzporträts vorgestellt.

In der Mediathek finden Sie ein Themenheft zu den italienischen Anlagen in Volksbund-Obhut.

Weitere Informationen zu Cassino gibt es hier:
Lebendig erzählte Geschichte rund um den Monte Cassino
Internationales Gedenken zur Ausstellungs-Eröffnung in Cassino