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Volksbund bettet ermordete KZ-Häftlinge ein

80 Jahre nach ihrem Tod erhielten zwei Unbekannte endlich ein würdiges Grab

Als Neunjähriger hatte Johann Dücker beobachtet, wie Soldaten zwei Gefangene töteten. Jahrzehntelang setzte er sich – auch gegen Widerstände – für die Suche nach ihren sterblichen Überresten ein.  Mit Hilfe des Volksbundes wurden sie gefunden. Nun erhielten sie ihre letzte Ruhestätte auf dem Dorffriedhof im niedersächsischen Volkmarst.
 

Ein sonniger Samstag Ende Januar – nicht nur wegen des schönen Wetters ein guter Tag für Johann Dücker. Am 27. Januar schloss sich ein Kreis, vielleicht sogar eine Wunde.
 

Ausgemergelt, in gestreifter Kleidung

Um das zu verstehen, müssen wir fast 80 Jahre zurückschauen: April 1945. Der Zweite Weltkrieg hatte Millionen Menschen das Leben gekostet, Städte und Landschaften verwüstet. Gerade ging er zumindest in Europa dem Ende zu. Das nationalsozialistische Regime lag am Boden. Die Rote Armee hatte das Konzentrationslager Ausschwitz am 27. Januar befreit. Die Bilder gingen um die Welt. Nun konnte niemand mehr die Augen vor den Gräueltaten der Nazis verschließen.

Das machte auch KZ-Kommandanten und Wachmannschaften nervös. Sie versuchten, ihre Taten zu verwischen. Sie verbrannten die Leichen, schickten die Häftlinge auf Todesmärsche und versuchten, vor der anrückenden Front zu fliehen. Aus dem Konzentrationslager Neuengamme wurden im März 1945 tausende Häftlinge quer durch Norddeutschland geschickt, ausgemergelte Menschen in gestreifter Kleidung. Wer bei den Märschen nicht Schritt halten konnte, vor Erschöpfung zurückblieb oder gar zu fliehen versuchte, wurde erschossen. Am 12. April 1945 erreichten rund 9.500 Häftlinge das Lager Sandbostel. Auch an Basdahl, einem kleinen Ort nahe Rotenburg an der Wümme, zogen KZ-Häftlinge vorbei.
 

Ein Bild, das man nicht mehr los wird

An diesem Tag beobachtete der neunjährige Johann Dücker durch das Küchenfenster, wie Soldaten zwei Männer erschossen. Das Bild, wie ein Soldat einen Menschen mit einem Genickschuss ermordet, sollte ihn nicht mehr loslassen. Die Soldaten verscharrten die Toten ganz in der Nähe an einem Feldrand.

„Ich habe die Bilder immer noch im Kopf“, sagt er heute. Jahrzehntelang hielt er das Gedenken an die beiden Männer wach, um ihnen ein angemessenes Grab zu geben – auch gegen Widerstände in der Gemeinde. Er blieb hartnäckig und weigerte sich, „Gras über die Gräber wachsen zu lassen“. 2004 versuchte er, die Toten auf seinem Grundstück mit Hilfe eines Freundes zu finden, aber ohne Erfolg.

Volksbund-Expertise hilft

Johann Dücker ließ sich nicht entmutigen. Nach endlosen Gesprächen mit der Gemeinde und dem niedersächsischen Innenministerium – unterstützt von der Gedenkstätte Sandbostel– untersucht Joachim Kozlowski, Umbetter beim Volksbund, das Gelände mit Bodenradar. Im folgenden Frühjahr - es ist der 24. Mai 2023 - setzt Joachim Kozlowski die Suche fort. Einen ganzen Tag lang.

Am Nachmittag schaut er etwas abseits der Grabungsstelle – es ist 15.17 Uhr – und wird fündig: Schuhe, Gürtelschnalle, Knöpfe, ein gebrochener Oberschenkel, ein Schädel mit einem Einschussloch, verursacht durch eine Pistole. Sogar eine Gewehrkugel, die noch im Brustkorb steckt, findet er. Die Toten werden sorgsam ausgebettet und in die Rechtsmedizin der Universitätsklinik Eppendorf gebracht. Einer war zwischen 30 und 40, der andere zwischen 18 und 20 Jahre alt. So hatte das Joachim Kozlowski eingeschätzt.

Herkunft bleibt offen

Ihre Herkunft konnte leider nicht ermittelt werden. Nun wurden sie auf dem Friedhof in Volkmarst würdig bestattet. Statt der erwarteten 20 Besucher kamen fast 100 Menschen, um den beiden Toten die letzte Ehre zu erweisen. „Es war mir ein großes Anliegen“, sagt Johann Dücker, „dass sie auf einem Gemeindefriedhof liegen und im Dorf begraben sind.“

Der Volksbund ist...

... ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote sucht und birgt, sie würdig bestattet und ihre Gräber pflegt. Daraus leitet er einen Bildungsauftrag ab und bringt junge Menschen aus verschiedenen Ländern unter anderem in Workcamps zusammen (Anmeldung für den Sommer läuft). Seine Arbeit finanziert der Volksbund vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Danke für Ihre Hilfe!