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20 Jahre Kriegsgräberstätte Rshew: Gedenken in kleinstem Kreis

Hermann Krause, Volksbund-Büroleiter in Moskau, berichtet vom Oberlauf der Wolga

Als die deutsche Kriegsgräberstätte zusammen mit dem russischen Soldatenfriedhof in Rshew 2002 eröffnet wurde, kamen Angehörige, deutsche und russische Veteranen und Vertreter der Administration zusammen. Zu den Gästen gehörten der deutsche Botschafter aus Moskau und sein Verteidigungsattaché. Groß war auch das Interesse der Bevölkerung: An die 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer dürften es gewesen sein.
 

Ein Brautpaar legte Blumen auf beiden Friedhöfen nieder. Hinterher lud der Volksbund zu einem Umtrunk in die Aula einer nahegelegenen Schule ein. Es wurde gemeinsam gegessen, Wodka getrunken. Die Feinde von einst oder deren Kinder lagen sich in den Armen, auch Tränen flossen.
 

„Freundlich gesinntes europäisches Land“

Damals war Wladimir Putin zwei Jahre im Amt, zwischen Russland  und Deutschland  begann eine neue Phase der Entspannungspolitik.  Im Bundestag hatte der junge Präsident am 25. September 2001 gesagt: „Russland ist ein freundlich gesinntes europäisches Land (…). Heute müssen wir mit Bestimmtheit und endgültig erklären: Der Kalte Krieg ist vorbei.“

 

Teilmobilmachung auch hier

20 Jahre später: Nur wenige hundert Kilometer von Rshew entfernt findet ein „heißer“ Krieg statt, der in Russland nur „Spezialoperation“ genannt werden darf. Moskau hat Gebiete annektiert, was die Ukraine nie akzeptieren wird. Mehrere Staaten – vorrangig aus der NATO – liefern Waffen. Deutschland ist ein „nicht freundlicher Staat“.

Auf dem Markt von Rshew sprechen wir mit einer Frau, deren Sohn demnächst eingezogen wird. Sie ist voller Sorge und Angst. Die Teilmobilmachung läuft auf Hochtouren und trifft auch die Menschen in dieser provinziellen Kleinstadt. 
 

Zwei Gäste: ein wertvolles Zeichen

Was für eine traurige Zeitenwende! Wir begehen den 20. Jahrestag der Eröffnung der Kriegsgräberstätte Rshew am 28. September in aller Stille – ohne Teilnahme von Lokalpolitikern. Wir haben niemanden eingeladen und sicherlich wäre auch niemand von offizieller Seite unserer Einladung gefolgt. Dafür reisten aus Moskau der Kulturattaché der deutsche Botschaft, Guido Kemmerling, und der Leiter unserer Partnerorganisation „Woennyje Memorialy“, Iwan Miroschnitschenko, an. Ein wertvolles Zeichen.

Wie immer werden wir mit großer Freundlichkeit und Herzlichkeit von den beiden Damen empfangen, die das kleine Museum am Eingang der Kriegsgräberstätte leiten. Natalia Dranowa und Natalia Rossinskaya führen durch die Räume, erklären, um welche militärischen Gegenstände es sich in den Vitrinen handelt. Die Schlacht bei Rshew war eine der schrecklichsten und blutigsten in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges.
 

Noch immer unentdeckte Grablagen

Bis heute ist der Verlauf noch nicht vollständig aufgearbeitet. Noch immer werden in der Umgebung Gebeine gefunden, noch immer entdecken russische Suchtrupps und auch die Mitarbeiter des Volksbundes neue Grablagen.

Neben der deutschen Kriegsgräberstätte mit mehr als 41.000 Toten liegt der sowjetische Friedhof mit circa 20.000 Gefallenen. In der Schlacht um Rshew starben auch kasachische und kirgisische Soldaten – deshalb wurde am Eingang vor einem Jahr auch ein kirgisisches und kasachisches Denkmal errichtet. Sehr groß, sehr pompös.

„Friedenspark“ lockt Gäste an

Seitdem trägt das gesamte Arsenal den Titel „Friedenspark” – mit der Folge, dass die Besucherzahlen in die Höhe schnellten. So kommen Reisegruppen und Schulklassen nicht nur aus Russland, sondern auch aus den ehemaligen Sowjetrepubliken hierher, um den „Friedenspark” zu besuchen. „Seit Ende der Corona-Epidemie waren es mehr als eine Millionen Besucher”, sagt Natascha Dranowa nicht ohne Stolz, „und diese Gäste besuchen dann auch den deutschen Friedhof.”

In dem kleinen Museum ist auch die Geschichte der „Trauernden Eltern” nachzulesen, wie die Käthe Kollwitz-Skulpturen genannt werden, die am Eingang des deutschen Soldatenfriedhofs stehen. Vor Gram gebeugt, groß, aus grauem Gestein, vereint in der Trauer. Das Original steht in Belgien, die Repliken gelangten auf Initiative des Volksbundes über Warschau und Weißrussland nach Rshew.

Unendliches Leid der Eltern

Im Ersten Weltkrieg hatte Käthe Kollwitz 1914 ihren jüngsten Sohn verloren, der gerade 18 Jahre alt war. Er hatte sich freiwillig gemeldet. Die Figuren drücken das unendliche Leid der Eltern aus, die mit dem Tod ihres Kindes fertig werden müssen. Steht man vor ihnen, denkt man unweigerlich daran, dass diese Trauer auch jetzt wieder in vielen russischen und ukrainischen Familien herrscht. Die Mahnung zum Frieden, zur Versöhnung zwischen den Völkern, die auch von diesem deutschen Soldatenfriedhof in Rshew ausgeht, ist aktueller denn je, bleibt aber ungehört.

Text: Hermann Krause
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Mehr lesen ...

 ... Sie in einem Artikel von Hermann Krause über die aktuelle Situation der Volksbund-Arbeit in Russland: Mitgliederzeitschrift FRIEDEN, Ausgabe 2-2022 (S. 8/9).

... über das Ende einer langen Suche nach dem Grab des Vaters, die auf der Kriegsgräberstätte Rshew endete: Nur ein Foto in der Hand 
 

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