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Adler auf Abwegen

Hochskulptur am U-Boot-Ehrenmal renoviert

„Wann kommt er denn endlich wieder, der Adler?“ Die Frage nach dem Verbleib des Wahrzeichens von Möltenort bei Kiel musste Volksbund-Landesgeschäftsführer Frank Niemanns in den letzten Tagen öfter beantworten, als ihm lieb war. Denn der fast sechs Tonnen schwere Bronzeadler des U-Boot-Ehrenmals hatte seinen Standort 16 Meter über der Kieler Förde schon vor gut einem Jahr verlassen müssen. Der Grund: eine Inspektion, bei der zusätzlich die innere Tragekonstruktion des Kunstwerkes verstärkt wurde. Ende April 2013 kehrt das Wappentier der U-Bootfahrer dann wieder auf seinen seit 1938 angestammten Aussichtspunkt zurück. Endlich.

Liebevolle Behandlung

 Dabei war es ein langer Weg. Nach der aufwändigen Demontage vom Hochpodest wurde der tierische Patient zunächst ins nahe gelegene Kieler Marinearsenal überführt. Dort wurde der Adler in zwei Teile aufgetrennt: das obere Kunstwerk selbst und der zugehörige Bronzesockel. Das aus dem Adlermotiv bestehende Oberteil kam zur fachmännischen Renovierung in die Hallen der Berliner Firma Bildgießerei Herrmann Noack, während der Sockel im Arsenal restauriert wurde. Das Innengerüst aus besonders haltbarem und strapazierfähigem Stahl wurde dagegen vollständig ersetzt.

 Später wurden die einzelnen Teile wieder sorgfältig zusammengeführt und verschweißt. Die dabei entstandenen Schweißnähte wurden anschließend ebenso sorgfältig behandelt, wie die nun sichtbar glänzende Bronze an den Reparaturstellen. Schließlich handelte es sich um ein Denkmal – und das hat alt, also patiniert zu sein. Hier arbeiteten die Experten mit einer Speziallösung, welche die Oberfläche künstlich und binnen weniger Minuten altern ließ. Bei entsprechender liebevoller Behandlung und Hitzezufuhr erhielt der Adler so auch wieder an den Verbindungsstellen der ehemals getrennten Teile seine dunkelgrün-patinierte Farbe zurück.

 Das Unternehmen Noack hat sich auf die Herstellung und Restaurierung solcher Großkunstwerke spezialisiert. Die beeindruckenden Produkte ihrer Arbeit lassen sich sowohl auf dem Kreml-Vorplatz als auch vor der Europazentrale der österreichischen Firma Red Bull bewundern. Schon der gleichnamige Vater und Großvater des heutigen Firmenchefs Herrmann Noack haben die zerstörte Quadriga zurück auf das Brandenburger Tor gezaubert. Ähnliches sollte nun in Möltenort passieren.

König der Lüfte auf dem Wasser

 Das lockt viele Schaulustige an. Ohnehin ist die markante Stelle am Förde-Wanderweg mit ausgezeichnetem Blick auf die vorbeifahrenden großen Lienenschiffe, Tanker, Segler, Frachter und  Minensuch- oder Versorgungsboote der Bundesmarine ein beliebter Ausflugspunkt. Und an diesem Tag gibt es noch viel mehr zu bestaunen: Aus Richtung des Marinearsenals nähert sich in diesem Moment bei niedrigem Wellengang und wenig Wind der inzwischen fertig renovierte Adler: Der König der Lüfte kommt also festgezurrt und mehrfach gesichert auf dem Wasserwege daher. Den ungewöhnlichen Transport leistet eine riesige, schwimmende Ponton-Arbeitsfläche, die von einem Schlepper behutsam an den Anleger vor dem Ehrenmal gezogen wird.

 

 Unter den Menschen, die das Landemanöver aufmerksam verfolgen, ist auch der 66-jährige Heinz Potrafki. Er ist seit 2010 Vorsitzender der Stiftung U-Boot-Ehrenmal Möltenort, die sich beispielhaft um die Pflege und Erhaltung dieser einzigartigen Gedenkstätte kümmert und das Gedenken an die verstorbenen U-Boot-Fahrer mit Leben füllt. Das Engagement der Stiftungs-Mitglieder ging sogar soweit, dass die Kosten des im Jahr 2001 erstmals und vollständig ersetzten Adlers von einem Stiftungsmitglied komplett übernommen wurden. Die großzügige Dame hieß Martha Begemann (verwitwete Neumann) und stiftete den Adler im damaligen Wert von 500 000 D-Mark in Gedenken an ihren Ehemann und ehemaligen U-Boot-Kommandanten des Ersten Weltkrieges, Karl Neumann. Leider verstarb die großzügige Spenderin vergangenes Jahr im hohen Alter von 101 Jahren.

Vogel im Ungleichgewicht

 Dass der von Martha Begemann gestiftete Adler von Möltenort nun auch wieder solch biblische Lebenszeiträume wohl übersteht, ist allerdings an bauliche Vorraussetzungen gebunden. Dabei bereitet nicht nur die salzige Meerluft, die beständig um die exponierte Landzunge pfeift, große Probleme. „Die Besonderheit an diesem Bauwerk ist neben der Lage die einzigartige Statik des Adlers selbst. Die Figur hat durch ihre Gestaltung mit den halb nach hinten aufgestellten Flügeln ein inneres Ungleichgewicht. Man spricht auch von einem dezentralen Schwerpunkt. Ohne innere Stützmaßnahmen würde die Figur einfach über die gewichtigen Flügel nach hinten wegkippen. Dies wird mit der neuen Metall-Stützkonstruktion im inneren der Bronzefigur nachhaltig verhindert“, sagt Volksbund-Architekt und Hochbau-Ingenieur Bernd Bürger.

 Und dann geht’s auch schon los. Überraschend zügig hievt der riesige Autokran den 4,60 Meter hohen sowie 4, 80 Meter breiten Adler auf die 15,30 Meter hohe Säule. Diverse Fotoapparate klicken, die Kamera des Offenen Kanals Kiel filmt ebenfalls mit. Und hoch über der Szenerie schwebt eine der neuen Kameradrohnen, die vom Boden aus ferngesteuert werden.

Gulasch vom Smutje

 Trotz all der Technik kommt es am Ende wieder auf das gesunde Augenmaß an. Die erfahrenen Mitarbeiter der Firma Noack bugsieren das tonnenschwere Gebilde zentimetergenau über die 16 Gewindestangen oder Ankerbolzen, die auf der Spitze der Säule einbetoniert sind. Erst wenn alles haargenau passt, wird der Koloss langsam abgesenkt. Nachdem die Gewindestangen mit speziellen Unterlegscheiben, Muttern und Kontermuttern fixiert und kontrolliert wurden, die verbliebenen Zwischenräume mit Spezialmaterial ausgefüllt sind und die abschießenden Verkleidungsbleche wieder an ihrem ursprünglichen Ort kommen, ist die Arbeit fast getan. Jetzt muss nur noch alles wieder gesäubert und auch das Gerüst noch abgebaut werden. Vorher gibt’s für alle erstmal reichlich Gulaschsuppe vom Smutje der U-Boot-Kameradschaft.

 Währenddessen bemerken auch zahlreiche weitere Strandbesucher, die eher zufällig vorbeikommen, die neuerliche Veränderung an dem kunstvollen Adlerhorst, der zuvor so lange verwaist war. Nun neigen sich die Köpfe noch im Vorbeigehen in den Nacken, während die Augen in die Höhe blinzeln. „Ach“, heißt es dann: „Da isser ja wieder, unser Adler!“

Maurice Bonkat