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Dänisches Leuchtturmprojekt zum Thema Flucht

Volksbund engagiert sich im neuen Museum „FLUGT“ in Oksbøl

An der dänischen Nordseeküste eröffnet im Sommer mit dem neuen Zentrum „FLUGT“ ein museales Leuchtturmprojekt. Auch der Volksbund ist beteiligt und konzipiert aktuell auf der benachbarten Kriegsgräberstätte eine neue Dauerausstellung.
 

Die Ursachen von Flucht und Vertreibung, ihre weltweiten Folgen und die Lehren aus der Geschichte – das sind die zentralen Themen des neuen Museums „FLUGT - Refugee Museum of Denmark“, das ab Sommer an der dänischen Nordseeküste die Flüchtlingsgeschichte vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart erzählen wird. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Geschichte deutscher Kriegsflüchtlinge an der dänischen Nordsee.
 

Spektakulärer Bau

Hier wird der Volksbund mit einer eigenen Dauerausstellung über die Flucht der Deutschen informieren, die aus den deutschen Ostgebieten über die Ostsee bis in die dänischen Lager führte, von denen Oksbøl das größte war. Als erstes dänisches Museum erhält „FLUGT“ Fördermittel aus Deutschland: Der Bundestag bewilligte 1,3 Millionen Euro zur Unterstützung des spektakulären Baus, der rund 13,4 Millionen Euro kosten wird. Der Entwurf für das Museumsgebäude stammt von Dänemarks Star-Architektenfirma Bjarke Ingels Group (BIG). Er bezieht die heute noch vorhandenen ehemaligen Flüchtlingsbaracken mit ein und arbeitet stark mit multimedialen Inhalten.

Der Weg durch die Ausstellung wird aus dem luftigen Gebäude heraus und über einen Rundweg weiter zum deutschen Friedhof führen, auf dem 1.796 Tote ruhen, darunter viele Frauen und Kinder. Stelen auf dem Friedhofsgelände und in eine kleinere Dauerausstellung informieren über das Schicksal der Vertrieben und ihren Weg nach Oksbøl auf Jütland. Im Mittelpunkt stehen Biographien einzelner, die dort begraben sind.

Auf dem Gelände im damaligen besetzten Dänemark war gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ein riesiges Flüchtlingslager errichtet worden, in dem zwischen 1945 und 1949 bis zu 35.000 deutsche Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht waren. Anfang 1945 waren Tausende Menschen aus dem Ostteil des Deutschen Reichs vor der sowjetischen Armee in den Westen geflohen. Auch um diesen Aspekt der deutschen Geschichte wird es also im neuen Museum „FLUGT“ gehen.  Es wird nicht nur von beiden Ländern finanziert: Eine enge Partnerschaft verbindet es außerdem mit dem „Zentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin. Die Einweihung ist für den 25. Juni 2022 geplant.
 

Workcamps seit den 1950er Jahren

In Oksbøl haben sich vom Beginn den 1950er Jahre zunächst Gruppen der Ostpreußischen Jugend um die deutschen Kriegsgräber gekümmert.  Ab 1991 lud der Volksbund zu Workcamps und internationalen Begegnungen ein. Nicht nur junge Däninnen und Deutsche, auch Russinnen und Balten haben sich in zahlreichen Workcamps  mit den Themen Flucht und Vertreibung auseinandergesetzt.

Der Volksbund wird in direkter Nachbarschaft des ehemaligen Flüchtlingslagers die Funktion der Kriegsgräberstätte Oksbøl künftig noch stärker betonen. Die neue Ausstellung soll ihren Teil dazu beitragen. Auch im Juni dieses Jahres wird dort wieder eine Jugendbegegnung stattfinden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden die Kriegsgräberstätte pflegen, einen Ginkgo-Baum pflanzen, das „FLUGT“-Museum besuchen und die Themen inhaltlich bearbeiten.
 

Rückblick: Stadt hinter Stacheldraht

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Oksbøl die fünfgrößte Stadt Dänemarks – allerdings eine Stadt hinter Stacheldraht. Warum? Winter 1944/45: Mit dem Vorstoß der Roten Armee nach Ostpreußen setzte eine Massenflucht der dort lebenden Bevölkerung nach Westen ein. Um die Flüchtlingsströme besser koordinieren zu können, wurden die Flüchtlingstransporte seit Februar 1945 nicht nur in deutsche Seehäfen, sondern auch nach Dänemark geleitet. Etwa 250.000 Menschen wurden in das von der Wehrmacht besetzte Land gebracht. Anders als die deutschen Truppen, die nach Kriegsende das Land schnell verließen, konnten die Flüchtlinge nicht einfach zurückgeschickt werden, obwohl die dänische Regierung eine schnelle Abschiebung plante.

Die alliierten Besatzungsbehörden in Deutschland sahen sich durch die Kriegszerstörungen und die Millionen Flüchtlinge vor riesige Herausforderungen gestellt und lehnten eine Rückführung der Deutschen aus Dänemark zunächst ab. Da viele Flüchtlinge in Schulen und Betrieben untergebracht waren, die die dänische Regierung schnell wieder in Betrieb nehmen wollte, wurden überall im Land große Flüchtlingslager errichtet. Im Lager Oksbøl lebten von 1945 bis 1949 fast durchgehend rund 35.000 Menschen.
 

Deutsche und Dänen strikt getrennt

In den Lagern konnten die deutschen Flüchtlinge sich vergleichsweise selbstständig  organisieren und eigene Infrastrukturen aufbauen. Sie richteten eigene Schulen, Bäckereien, aber auch ein Krankenhaus, Ordnungskräfte und Feuerwehren ein, sogar ein Theater. Dänische Pädagogen organisierten eine progressive Schulpädagogik, die den Kindern demokratische Werte beibringen sollten.

Die  Deutschen wurden jedoch von der dänischen Bevölkerung strikt getrennt. Zu groß waren die Wunden, die die deutsche Besatzung den Dänen zugefügt hatte. In vielen Fällen waren die Besatzungskräfte ähnlich brutal vorgegangen wie in anderen Ländern. Es gab auch Ängste, dass sich zwischen Dänen und Deutschen Beziehungen entwickeln könnten.
 

Kriegsgräberabkommen 1962

Das Lager Oksbøl – gelegen in einer kleinen Gemeinde in West-Jütland – ist heute fast vollständig verschwunden. Einzig die beiden ehemaligen Lazarettbaracken und der ehemalige Lagerfriedhof existieren noch. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge kümmert sich seit dem Abschluss des Kriegsgräberabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark im Jahr 1962 offiziell um diese deutsche Kriegsgräberstätte.

Nach einem Umbau des provisorischen Lagerfriedhofs und der Zubettung von 121 in Dänemark gefallenen Soldaten ruhen hier heute insgesamt 1.796 Kriegstote, darunter viele Kinder. Rund 20.000 Menschen besuchen jährlich den Friedhof.

Text: Harald John / Diane Tempel-Bornett
Kontakt
 

Nachtrag:

Inzwischen ist das „FLUGT“-Museum eröffnet. Einen Bericht darüber finden Sie hier:
Geschichten von Flucht und Vertreibung modern erzählt