Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Gräbersuche Mitglied werden Jetzt spenden Spenden

Die Geschichte wirkt fort

Einweihung der deutschen Kriegsgräberstätte Duchowschtschina am 3. August

Ein denkwürdiger Moment, ein denkwürdiger Tag: Am 3. August weihten Deutsche und Russen am Rand der kleinen Stadt Duchowschtschina 60 Kilometer östlich von Smolensk gemeinsam den 22. und damit letzten Sammelfriedhof für deutsche Kriegstote in Russland ein. Über 70 000 Kriegstote sollen hier nach Abschluss der noch einige Jahre andauernden Umbettungen einmal ruhen. 30 513 sind es schon, geborgen aus den Gräbern auf den umliegenden Schlachtfeldern im sogenannten „Mittelabschnitt der deutschen Ostfront“. 16 300 Namen sind bekannt und auf Granitstelen dokumentiert. Weitere Namen werden demnächst beschriftet.

Erinnerung an den Krieg

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière dankte in seiner Gedenkansprache Russland und seinen Bürgern für ihre Versöhnungsbereitschaft. Denn schließlich – und das betonte auch Reinhard Führer, der Präsident des Volksbundes – hatten die Deutschen im Juni 1941 die Sowjetunion angegriffen. Die unzähligen Toten sind bis heute nicht vergessen, besonders nicht im Gebiet um Smolensk, das unter den Kämpfen und der deutschen Besatzung schwer gelitten hatte. Damals wurde auch der Ort Duchowschtschina vollständig zerstört – so wie übrigens schon einmal in seiner Geschichte, 1812 im „Vaterländischen Krieg“ gegen Frankreich.

70 Jahre liegen die furchtbaren Kämpfe des Zweiten Weltkrieges in diesem Gebiet nun schon zurück. Die Häuser sind wieder aufgebaut. Über 4 200 Menschen leben in der Stadt. Außer dem russischen Soldatenfriedhof und dem neuen deutschen Friedhof erinnert hier nichts mehr an den Krieg. Anders aber ist es in den Köpfen der Menschen. Die Geschichte wirkt fort. „Nie werden wir das unermessliche Leid vergessen, das den Menschen unseres Volkes – auch von denen, die hier liegen – angetan wurde“, sagte Igor Skobelew, Vizegouverneur des Gebietes Smolensk. Man dürfe aber nicht nur an die Vergangenheit denken – und nie dürfe man sich von Gefühlen der Rache und des Hasses leiten lassen! Dann fügte er einen Satz hinzu, der wahrscheinlich bei all den vielen Gedenkreden in den vergangenen zwanzig Jahren in Russland so noch nie gefallen ist: „Wir dürfen anderen keine Schuldgefühle aufzwingen.“

Versöhnung ist ein Prozess

Versöhnung ist mehr ein Prozess als ein Ziel. Sie lässt sich jedenfalls nicht erzwingen, und sie bedarf des guten Willens der Betroffenen. Dabei gibt es Fortschritte, und es gibt Rückschläge. Die fast 15 Jahre alte Geschichte der Suche nach einem Friedhofsstandort im Raum Smolensk ist dafür ein Beispiel. Der Präsident des Volksbundes fasste es so zusammen: „Viele Steine waren aus dem Weg zu räumen. Aber der gemeinsame Wille führte zu diesem guten Ergebnis!“, und: „Dass wir diesen Tag erleben dürfen, verdanken wir in erster Linie der Versöhnungsbereitschaft der russischen Bevölkerung.“

Und diese Bereitschaft existiert auch auf offizieller, staatlicher Seite. „Unsere Aufgabe besteht gerade darin, die Lehren der Geschichte zu beherzigen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Solche Tragödien dürfen sich nie mehr wiederholen. Wir teilen das Motto Versöhnung über den Gräbern!“ Dies ergänzte Generaloberst Wladimir Tschirkin, Oberbefehlshaber der russischen Landstreitkräfte. Er erinnerte an die seit den Genfer Abkommen geltende Verpflichtung, den Kriegstoten würdige Ruhestätten zu geben und würdigte vor allem die vorbildliche Erhaltung der sowjetischen Kriegsgräber in Deutschland durch die deutsche Seite.

So dürfte zutreffen, was Thomas de Maizière so zusammenfasste: „Die Bedeutung der Kriegsgräberfürsorge für die Völkerverständigung kann kaum hoch genug eingeschätzt werden.“ 

Zwischenziel erreicht – die Arbeit geht weiter

Sicher die meisten der über 300 Menschen, davon 200 aus Deutschland, erlebten zum ersten Mal eine Einweihungszeremonie auf einer deutschen Kriegsgräberstätte mit. Dies wird es in Zukunft in dieser Form nicht mehr oft geben. Denn nach der Einweihung des Friedhofs in Duchowschtschina stehen nur noch wenige Neubauprojekte in Südosteuropa auf der Liste des Volksbundes.

In Duchowschtschina setzte der Volksbund während der Einweihungszeremonie fünf deutsche gefallene Soldaten bei. Vier von ihnen sind namentlich bekannt:
Richard Sennecke (geb. 12.9.1905 in Stettin)
Hugo Blankenburg (geb. 15.7.1913 in Witterda)
Günter Ulrich (geb. 2.12.1924 in Berlin)
Werner Zupp (geb. 26.6.1924 in Köslin)

Einer von ihnen ist der fünfhunderttausendste Kriegstote, den die Volksbundmitarbeiter in Russland, Weißrussland und der Ukraine geborgen und würdig bestattet haben. Leider hat der Volksbund bisher zu niemandem aus ihren Familien Kontakt.

Seit dem politischen Umbruch in den für ihn bis dahin für den Volksbund weitestgehend unzugänglichen ehemaligen Ostblockländern wurden insgesamt schon rund 775 000 Kriegstote umgebettet. Diese Arbeit der deutschen Kriegsgräberfürsorge ist allerdings noch lange nicht beendet. Sie wird teilweise sogar noch schwieriger. Das sprach Thomas de Maizière an, als er sagte: „Auch wenn wir heute schon den fünfhunderttausendsten Kriegstoten beigesetzt haben, dürfen wir nicht vergessen: Hunderttausende liegen noch in deutscher und russischer Erde. Viele werden wohl niemals geborgen werden.“

Und auch diese Worte des Ministers sollen erwähnt sein: „Der Volksbund hat sich große und bleibende Verdienste erworben – dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung.“

Die Arbeit bedarf deshalb mehr denn je der Unterstützung durch die Bundesregierung und die Bevölkerung. Wir sind sicher, dass sich die Anerkennung der Verdienste des Volksbundes nach den Bundestagswahlen im September 2013 auch in einer bedarfsgerechten Fortsetzung der finanziellen Unterstützung durch die neue Bundesregierung niederschlagen wird.

Martin Dodenhoeft 

Nach Ende der Reise kommt die traurige Nachricht: Unser Förderer Reinhold Leber, der seine Schwägerin bei der Reise an das Grab ihres Vaters, seines Schwiegervaters, begleitet hat, ist kurz nach Ankunft auf dem Moskauer Flughafen schwer gestürzt und trotz bester ärztlicher Versorgung nach einigen Tagen gestorben. Er, der selbst noch im Alter von 17 Jahren in den Krieg ziehen musste, wollte in Duchowschtschina mit diesem Thema endlich seelisch abschließen. Das ist ihm nun versagt geblieben. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und allen, die um ihn trauern.

 

 

Ausführliche Informationen über die Kriegsgräberstätte Duchowschtschina finden Sie in unserem Themenheft.

Eine kurze Zusammenfassung des Ablaufs der Einweihungsveranstaltung können Sie sich hier herunterladen.

Testuser