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Erdmute Labes prägte die Volksbund-Arbeit in Halbe und Brandenburg

Trauer um engagierte und mahnende Wegbereiterin und Seelsorgerin für Angehörige

Der Volksbund trauert um Erdmute Labes, um eine ständig mahnende, ruhelose Wegbereiterin und -begleiterin in Brandenburg und darüber hinaus. Sie hat sich bereits zu Zeiten der DDR um die Toten des Waldfriedhofs Halbe und deren Angehörige verdient gemacht. „Ihr ist es maßgeblich zu verdanken, dass der Friedhof heute eine der bekanntesten Kriegsgräberstätten in Deutschland ist”, sagte Stefan Dworak, stellvertretender Volksbund-Generalsekretär.
 

Erdmute Labes, Pfarrerin im Ruhestand, verstarb mit 79 Jahren in Zeuthen, nahe ihrer ehemaligen Wirkungsstätte. „Eine Pastorin und tausend Gebeine“ hatte die „Neue Zürcher Zeitung” am 13. August 2004 getitelt und auch der „SPIEGEL” hatte Interesse an ihr und ihrem Engagement gehabt. Der Grund: Als Pfarrerin in Märkisch-Buchholz war sie – nach dem Tod des Halber Pfarrer Ernst Teichmann 1983 – auch für die Kriegsgräber in ihrem Amtsbereich und für den Waldfriedhof Halbe zuständig.

 

Ohne Rücksicht auf Nachteile

Den Volksbund gab es damals offiziell in Brandenburg noch nicht, doch als Pfarrerin in der DDR wusste sie Kontakte zum (West-)Berliner Landesverband zu nutzen. Dank ihres Engagements gelang es, viele Kriegstote zu identifizieren. Angehörige betreute sie als Seelsorgerin.

Viele dieser Kontakte bestanden nach der Wiedervereinigung über Jahre fort. Ihrem Anspruch, den Toten ihre Namen und ihre Würde zurückzugeben und für eine letzte Ruhestätte zu sorgen, folgte sie ohne Rücksicht auf persönliche und berufliche Nachteile.

Erdmute Labes stand damit in einer Reihe von Vertrauenspfarrern der evangelischen Kirche in der DDR, die sich der Kriegsgräberfürsorge im Osten Deutschlands annahmen – vor allem im heutigen Bundesland Brandenburg.
 

Pfarrhaus Ort für anonyme Abgabe

Insbesondere nahm sie sich in der Wende- und Nachwendezeit der Gebeinfunde so genannter „Schatzsucher” in der Region an, in der die Schlacht von Halbe kurz vor Kriegsende 1945 stattgefunden hatte. „Diese Funde wurden von den ‛Schatzsuchern‛ häufig als Ballast ihrer eigentlichen Militaria-Funde angesehen und wild entsorgt”, erklärt Oliver Breithaupt, Landesgeschäftsführer des Volksbundes in Brandenburg.

Erdmute Labes stellte sich dem als Pfarrerin mit einem über die Zeit aufgebauten Vertrauen entgegen und erreichte, dass zumindest die aufgefundenen Gebeine bei ihr anonym abgegeben wurden und später würdig bestattet werden konnten. In der „Neuen Zürcher Zeitung” war darum von einer Art „‘Babyklappe‘ für Tote“ die Rede.
 

Geburtsstunde des Landesverbandes

Als nach der Wende 1991 der Landesverband Brandenburg gegründet werden konnte, fand Erdmute Labes im ersten Landesvorsitzenden, dem damaligen Landtagspräsidenten Dr. Herbert Knoblich, einen kongenialen Partner in Fragen der Kriegsgräberfürsorge. Beide bestimmten maßgeblich die Entwicklung des Landesverbandes mit – mit Einflüssen bis in die Gegenwart.

Die Aussöhnung mit dem ehemaligen Kriegsgegner aus dem Osten, das Feststellen von damals fast vergessenen deutschen Grablagen des Ersten Weltkrieges in Ostpreußen, die Bedeutung der Jugend- und Bildungsarbeit sowie die nach 1990 möglich gewordenen Umbettungsarbeiten des Volksbundes – all das waren Schwerpunkte der Verbandsarbeit, die Erdmute Labes inhaltlich und praktisch mittrug, engagiert förderte und die sie vom Landesvorstand einforderte – auch und gerade dann, wenn er sich personell veränderte.
 

Offenes Geheimnis

Aber auch im Kleinen wirkte sie effektiv. So war es ein offenes Geheimnis, wie unmittelbar nach der Wende das Hochkreuz in den denkmalgeschützen Bestand des Waldfriedhofes Halbe gelangt war oder wie finanzielle und materielle Mittel des Volksbundes aus Kassel zügig vergessene Kriegsgräberstätten in Brandenburg erreichten oder …         

Als die engagierte Pfarrerin 2009 in den Ruhestand verabschiedet wurde, zog sie nach Zeuthen. Nach und nach schliefen persönliche und berufliche Kontakte ein, doch das Engagement für den Volksbund blieb. Vor dem Hintergrund empfand sie es als große Genugtuung, dass die Landesgeschäftsstelle 2011 von Potsdam nach Halbe zog – gleich neben die Kirche, in der Pfarrer Ernst Teichmann gewirkt hatte.
 

Teichmann-Nachlass gesichert

Sein Nachlass, der unmittelbar an den Waldfriedhof gebunden ist, lag der gebürtigen Berlinerin in ihren letzten Lebensjahren besonders am Herzen. Sein Erbe – heute auch ihr Erbe – hat in der Alten Schule in Halbe, dem Sitz des Landesverbandes Brandenburg, eine Heimat und letztlich auch eine für alle sichtbare Würdigung gefunden.

Oliver Breithaupt betont den großen Anteil, den ihre Erinnerungen an Ernst Teichmann und ihre Erfahrungen am heutigen Erfolg des Volksbund-Konzepts in Brandenburg haben – an einer „authentischen Mischung aus Verbands-, Umbettungs- und Bildungsarbeit”.
 

„Geschätzte moralische Instanz”

Mit dem Tode der Mitstreiterin, so Breithaupt, verliere der Volksbund eine bekannte und geschätzte moralische Instanz seines dem Menschen zugewandten Wirkens. Er stellt auch fest: „Sie war sehr glücklich, dass der Volksbund dicht an der Kirche drangeblieben ist.“

Ihr letzter Gruß – und Auftrag – wird das Erbitten einer Spende für den Volksbund anstelle von Blumen und Kränzen bei der Beisetzung sein. Sie wird in Märkisch-Buchholz beerdigt, in unmittelbarer Nähe zu den Gräbern vieler früherer Gemeindemitglieder und auch zu den Gräbern der Kriegstoten.

Der Volksbund nimmt Abschied von seinem langjährigen Vorstandsmitglied in Brandenburg, von seiner stellvertretenden Landesvorsitzenden, Pfarrerin i.R. Erdmute Labes (geb. Parske), geboren am 6. Juli 1943 in Berlin, gestorben am 4. Dezember 2022 in Zeuthen.

Den Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung” (13. August 2004) finden Sie hier:
Eine Pastorin und tausend Gebeine | NZZ