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Gedenken im nördlichen Russland

Besuche auf den Kriegsgräberstätten Korpowo und Nowgorod

Mit einer kleinen Delegation, bestehend aus Frau Hauptbootsmann Olga Weis vom Militärattachéstab der Deutschen Botschaft in Moskau und Victor Muchin, langjähriger Referent beim Volksbund, reiste unser Moskauer Büroleiter Hermann Krause über Demjansk und Staraja Russa zur deutschen Kriegsgräberstätte Korpowo, gelegen im Nowgoroder Gebiet.

Zu finden ist der deutsche Friedhof in Korpowo nicht leicht. Es gibt kein Hinweisschild an der Straße zwischen Demjansk und dem Ort Staraja Russa, bisher wurde dem Volksbund nicht gestattet, eines anzubringen. Dennoch ist der Friedhof vielen bekannt. Auch weil in all den Jahren Reisebusse mit Verwandten aus Deutschland kamen, im Sommer wie im Winter. Meist übernachten die Touristen im Kurort Staraja Russa, 50 Kilometer vom Friedhof entfernt. Nur die Pandemie hat den Besucherstrom gestoppt.


Mehr als 90 Namensstelen

Mittlerweile wurden rund 45.000 Gefallene und Kriegsgefangene auf dem vier Hektar großen Gelände beigesetzt. Erst am 28. August 2021 wurden weitere Granitstelen mit Namen aufgestellt, zusammen sind es jetzt mehr als 90 Blöcke. Und immer noch werden neue Grablagen in der Umgebung entdeckt. Bei der letzten großen Einbettung zum Beispiel wurden vor einem Jahr mehr als 1000 gefallene deutsche Soldaten beigesetzt.

Wie so oft fällt es schwer, angesichts der Ruhe, die die Anlage ausstrahlt und der Schönheit der Natur, das Schreckliche zu begreifen. Die vor zwanzig Jahren gepflanzten Bäume sind gut gewachsen, sie schmiegen sich harmonisch in das Gesamtbild ein, ebenso die Natursteinmauer, die den Friedhof umgibt. Die große Rasenfläche ist gepflegt, die Wege sind sauber, nirgendwo wuchert Unkraut. Verzaubert vom Spiel der Wolken und des Lichts könnte man vergessen, dass in dieser Umgebung Grauenhaftes passiert ist: der Kessel von Demjansk. Liest man die Namen der gefallenen zumeist jungen Männer wird einem klar, wie viele Leben ausgelöscht wurden. Geboren 1921, gestorben 1943. Oder: geboren 1920, gestorben 1942. 22 Jahre alt, manche von ihn sogar noch jünger. Verführt von einer widersinnig Naziideologie oder gezwungen, in einem Krieg zu kämpfen, den sie nie wollten und verstanden.

Die hier Begrabenen spiegeln auch das Grauen der anderen Seite wieder, der Verteidiger, die ebenfalls jung, ihr Leben lassen mussten, um das Vaterland zu schützen. Gegen Hitler, der„Lebensraum im Osten“ suchte. Der Irrsinn dieses Krieges wird mir jedes Mal beim Gang über unsere Friedhöfe deutlich. Routine ist da so gut wie unmöglich.


25 Jahre Kriegsgräberstätte Weliki Nowgorod

Drei Wochen später sind wir wieder unterwegs. Diesmal geht es mit dem Luftwaffenattaché Oberst i.G. Sven Hilgefort und Stabsunteroffizier Michaela Hansen, beide vom Militärattachéstab der Deutschen Botschaft Moskau, nach Weliki Nowogorod, der ältesten Stadt Russlands. Sie ist rund 600 Kilometer von Moskau entfernt, noch weiter nördlich gelegen als Korpowo.

Schwere Kämpfe haben hier zwischen 1941 und 1943 stattgefunden, beide Seiten erlitten hohe Verluste, überall in der Region finden sich sowjetische Gedenkstätten. Aber auch zwei deutsche Friedhöfe in unmittelbarer Nachbarschaft. Der größere, gelegen am Stadtrand von Weliki Nowgorod Richtung Schimsk, geht zurück auf eine Kriegsgräberstätte der 1. Luftwaffenfelddivision Nowgorod-Süd. In einem Halbkreis gelegen wurde vom Volksbund 1991 dieser bestehende Friedhof der Wehrmacht entdeckt und um ihn herum die Erweiterung der jetzigen Kriegsgräberstätte vorgenommen. In der Nähe des Hochkreuzes stehen drei Granitstelen mit den Namen von 500 Soldaten. Mittlerweile sind auf dem Friedhof an die 12 000 Soldaten beigesetzt, darunter auch 1900 Spanier, die auf Seiten der Wehrmacht kämpften. Im September 1996 wurde der Friedhof eingeweiht, vor 25 Jahren. An diesem Tag im Herbst, als die Delegationdes Volksbundes dort Blumen niederlegt, ist das Wetter nass und regnerisch, der Wind kalt und unangenehm. Unter welchen Bedingungen hier im tiefen Winter gekämpft wurde, mag man sich nicht vorstellen. Auf einer der Stelen entdecken wir die Namen vermutlich dreier Brüder: Heinrich, Werner und Wilhelm Steffen, der eine 19 Jahre alt, der zweite 29 Jahre alt, der dritte 31 Jahre alt. Der Irrsinn des Krieges in drei Namen, der Schmerz der Eltern, die damals vom Tod ihrer Söhne erfuhren, kaum zu erfassen.


Der Friedhof am Binnenmeer

68 Kilometer entfernt von Nowgorod liegt dann direkt am Ufer des Ilmensees gelegen der eher kleine Friedhof Korostyn. Im Sommer ist es an diesem riesigen Binnenmehr mit einer Breite von 35 km und einer Länge von 45 km sicherlich wunderschön. Eine Gegend, die viele russische Landschaftsmaler inspirierte. Jetzt aber peitscht der Wind über den Friedhof, auf dem an die 1200 deutsche Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Das Ungewöhnliche: Auf den Granitblöcken sind auch die Dienstgrade eingraviert. Fiedler Otto, Gefreiter. Oder: Friedrich Bruno, Unteroffizier. Oder: Heinrich Göddecke, Feldwebel.

In Russland habe ich dies auf unseren Friedhöfen bisher noch nie gesehen. An den tragischen Schicksalen der Gefallenen aber ändert das nichts. Ihre viel zu kurzen Leben endeten 1941,1942 oder 1943.

Text und Fotos: Hermann Krause