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Gefallen in einem „unsinnigen Krieg“

Internationales Gedenken an Weltkriegstote auf Sizilien

Vor 80 Jahren landeten alliierte Truppen auf Sizilien. An die Kriegsopfer, die während der „Operation Husky“ 1943 im Kampf ihr Leben ließen, erinnerte der Volksbund gemeinsam mit italienischen, britischen und deutschen Vertretern aus Militär, Politik und Kirche auf der deutschen Kriegsgräberstätte Motta Sant ‘Anastasia.
 

„Rimase immobile!“ und „Stillgestanden!“ lauteten die Befehle für die italienischen sowie deutschen Soldaten, die in Uniform und Dienstanzug bei sommerlichen Temperaturen zu den Totensignalen „Il Silenzio“ und „Der gute Kamerad“ salutierten. Für einen würdigen Rahmen sorgten auch die niedergelegten Kränze der Ehrengäste aus drei Nationen. Die traditionellen Uniformen der Carabinieri sowie der internationalen Kommandeure, Regimenter und Feuerbrigaden unterstrichen den offiziellen Charakter der Gedenkveranstaltung.
 

„Sprungbrett“ nach Nordafrika

Wer heute an die Insel Sizilien denkt, gerät schnell ins Schwärmen: schöne Landschaften, gastfreundliche Menschen und eine faszinierende Kultur. Touristen besuchen malerische Städte und Dörfer wie Palermo, Catania, Taormina oder Cefalu.

So idyllisch war es nicht immer. Dort, wo heute die Fischer in Hafennähe ihre besten und größten Fänge lauthals anpreisen, rollten vor 80 Jahren noch Panzer. Wo heute Touristen am Strand die sizilianische Sonne genießen, fielen früher Fliegerbomben. Die Insel spielte im Zweiten Weltkrieg eine wichtige strategische Rolle, denn sie bildete das „Sprungbrett“ nach Nordafrika, wo Italiener und Deutsche gegen die Briten und deren Verbündete kämpften. Eine große Anzahl zurückgeführter Verwundeter starb in Lazaretten.

Von Nordafrika aus landeten die Alliierten im Juli 1943 auf der Insel – die bis dahin größte Luft-Lande-Operation des Krieges. Die Kämpfe dauerten nur wenige Monate, aber bis zum Rückzug auf das Festland – über die Straße von Messina – verloren etwa 5.400 deutsche Soldaten ihr Leben. Die Verluste auf italienischer und britischer Seite waren ebenfalls vierstellig. Ihre letzte Ruhe fanden die deutschen Gefallenen auf der Kriegsgräberstätte in Motta Sant ‘Anastasia. 
 

Deutsch-italienisches Gedenken  

Dass heute Deutsche und Italiener gemeinsam der Kriegstoten gedenken, ist nicht selbstverständlich, schon gar nicht am „Commemorazione dei defunti“ – dem italienischen Totensonntag. Umgangssprachlich ist es „Il giorno dei morti“, Tag der Toten. Er wird jährlich am 2. November begangen, wobei man an alle Verstorbenen erinnert. Bei der Planung der Gedenkveranstaltung, die der Volksbund durchführte, galt es viele Ansprüche und Wünsche im Protokoll zu erfüllen. Mit viel Fingerspitzengefühl sorgte das deutsch-italienische Organisationsteam für einen reibungslosen Ablauf.    

Das Gedenken 80 Jahre nach der alliierten Landung in Sizilien sei für Deutsche, aber auch für Italiener sehr wichtig, betonte Oberst i.G. Thomas Reiberling, Verteidigungsattaché der Bundesrepublik Deutschland in Rom, in seinem Statement. „Die Gräber machen keinen Unterschied“, sagte Reiberling, „aber wir müssen einen Schritt weitergehen und die gemeinsame Verantwortung für Freiheit, Frieden und Demokratie mittragen.“ Besonders die Situation in der Ukraine und Israel mache dies erforderlich.

Dr. Anastasio Carrá, Abgeordneter und Bürgermeister von Motta Sant ‘Anastasia, sieht den Frieden und die Demokratie als höchste Güter an, die es über das Leben hinaus zu schützen gelte. „Ich hoffe, dass die Vergangenheit und die Opfer unserer Lieben nicht nur ein Moment des Gedenkens, sondern der Lehre sind, um in einer besseren Gegenwart und Zukunft zu leben“, sagte er. 
 

Türen öffnen

Trotz neuer Krisen und bewaffneter Konflikte sei die Versöhnung über den Gräbern eine der wichtigsten Losungen des Volksbundes, betonte Dr. Gundula Bavendamm vom Volksbund-Bundesvorstand. Die Leiterin des „Dokumentationszentrums für Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin appellierte in ihrer Gedenkrede: „Wir dürfen nicht vergessen, welche Türen sich öffnen können, wenn man selbst nach Kriegen gemeinsam eine der ältesten Kulturtechniken pflegt: die Angehörigen zu bestatten und ihrer zu gedenken. Diese Geste über frühere Gräben hinweg hat etwas zutiefst Menschliches.“

Diese Menschlichkeit griff auch Pfarrer Claus-Jörg Richter vom Deutschen Evangelischen Militärpfarramt Sigonella in seiner Predigt auf. Er sagte: „Ein Soldatenfriedhof ist ein Gedenkort und auch ein Mahnmal. Wir gedenken der Soldaten, die in einem unsinnigen Krieg gefallen sind, und deren Angehörigen, die darunter zu leiden hatten. Als Mahnmal soll es uns daran erinnern, (…) dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll.“ Richter weiter: „Wir müssen uns immer anstrengen, Wege des Friedens aufeinander zuzugehen und alle diplomatischen Erwägungen auszuschöpfen.“
 

Der Fall Luz Long

Aufeinander zugehen – diesen Schritt nahm der Olympiasportler Carl Ludwig Hermann Long, besser bekannt als „Luz Long“, wörtlich, indem er seinen Konkurrenten James Cleveland „Jesse“ Owens während der Leichtathletik-Siegerehrung 1936 in Berlin umarmte. Mit dieser menschlichen Geste fiel er bei den Nationalsozialisten in Ungnade, die ihm deutlich zu verstehen gaben: „Umarme nie wieder einen Neger.“  Details zur Geschichte von Luz Long finden sich in der aktuellen Ausgabe der Mitgliederzeitschrift Frieden (S. 28/29).

Das „Orchestra di Fiati“ aus Misterbianco spielte neben der „Air“ aus Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr. 3 auch die deutsche sowie italienische Nationalhymne. Von den Namen der Gefallenen geht eine spürbare Mahnung aus: Memento mori – Gedenke des Todes. Jeder Krieg fordert seine Opfer, auf allen Seiten. Kriege fordern das Leben unserer Liebsten.

Die Kriegsgräberstätte Motta Sant ‘Anastasia

Im 1955 geschlossenen deutsch-italienischen Kriegsgräberabkommens wurde vereinbart, auf Sizilien eine Kriegsgräberstätte zu schaffen. Dort sollten alle auf der Insel gefallenen deutschen Soldaten eine endgültige Ruhestätte erhalten. Mitarbeiter des Volksbundes betteten die Toten im Laufe mehrere Jahre um. Etwa 4.550 deutsche Kriegstote sind in dieser Gruftanlage bestattet.

Simone Schmid Referentin Kommunikation/Social Media