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Gesten der Freundschaft auf dem Friedhof

Besuch am Grab des Vaters und Großvaters im französischen Reillon wurde zur emotionalen Begegnung

Gunnar und Thomas  Müller, Vater und Sohn aus Saarbrücken, besuchten das Grab ihres Verwandten auf der Kriegsgräberstätte Reillon in Frankreich und erfuhren dank einer spontanen Einladung die Bedeutung von Versöhnung auf besonders eindrückliche Weise. Thomas Müller berichtet: 

„Begonnen hat es damit, dass mein Vater und ich – wie in manchen Jahren – rund 120 Kilometer nach Frankreich gefahren sind, um das Grab seines Vaters, meines Opas in Reillon zu besuchen und ein Gesteck niederzulegen. Er ist rund vier Monate nach Ende des Krieges in französischer Kriegsgefangenschaft 1945 gestorben. 

Bei gutem Wetter haben wir die verschiedenen Bereiche des Friedhofs Reillon besucht und fotografiert. Dort liegen knapp 5.500 gefallene französische und deutsche Soldaten aus drei Kriegen.
 

Am Auto freundlich angesprochen

Während ich die Straße entlang gegangen bin, um den Friedhof aus einiger Entfernung zu fotografieren, wurde mein Vater am Auto von einem älteren Franzosen freundlich angesprochen: Claude Charbonnot. Es stellte sich heraus, dass er der Kommandeur eines Veteranen-Verbandes ist. Er erklärte, sie würden in einer Dreiviertelstunde eine Feier abhalten, um der gefallenen französischen und deutschen Soldaten zu gedenken. Claude Charbonnot lud uns ein, daran teilzunehmen. 

Überrascht von der Einladung, berichtete mir mein Vater davon. Ich bestärkte ihn, dass wir daran teilnehmen sollten. Wir haben so etwas noch nie miterlebt und wussten nicht, wann wir nochmals eine Chance dazu hätten. 

Bei Aufstellung der Fahnenträger begrüßte der Kommandant, Claude Charbonnot, die prominenten Vertreter aus der Politik und der Region. Mit erkennbarer Freude, zwei Folgegenerationen eines deutschen Soldaten unter den Anwesenden zu wissen, begrüßte er uns, berichtete den Anwesenden über seine Einladung, wer wir sind und warum wir da wären.
 

Platz in der ersten Reihe 

Nach Abschluss der Zeremonie und dem Niederlegen mehrerer Blumengestecke auf dem französischen Teil gingen die rund 60 Teilnehmer zum deutschen Areal des Friedhofs. Auch dort nahmen die Fahnenträger Aufstellung und die Gäste bildeten einen Halbkreis. Zu Beginn seiner Ansprache wies der Kommandant mit einer klaren, stummen Handbewegung meinem Vater und mir einen Platz in der ersten Reihe zu. Überrascht folgten wir der Weisung. Nach Abschluss seiner Ansprache kam die Vertreterin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Manon Ehrhart, mit einem Gesteck in der Hand zu uns.

Sie sagte, dass der Kommandant wünsche, dass wir beim Niederlegen des deutschen Symbols am deutschen Mahnmal mitwirken sollten. Dann reichte sie uns das offizielle Gesteck und ich schob meinen Vater vor. Mit dem Gesteck in den Händen traten er und ich mit ihr und einem weiteren offiziellen Vertreter vor das Mahnmal und legten es im Gedenken nieder. Nach drei weiteren Ansprachen offizieller Vertreter wurden beide Nationalhymnen gespielt. Alle beisammen, im Herzen und in Freundschaft verbunden und in gemeinsamer Trauer um die Toten. Es waren Emotionen pur. Warum musste dieser unnötige Krieg nur sein?
 

Eingeladen für 2022

Im Anschluss interessierte sich noch eine Journalistin für uns und fotografierte uns. Welch ein Interesse an einem solchen Ereignis ... Wir nutzten die Gelegenheit und stellten uns Manon Ehrhart vor, der Repräsentantin des Volksbundes, die uns zur Gedenkveranstaltung für das kommende Jahr zum Volkstrauertag herzlich einlud. 

Dieses Erlebnis hat uns beide unglaublich beeindruckt und bewegt. Auf dem Nachhauseweg waren wir voller Emotionen und hoffen nun auf ein Wiedersehen am 1. November 2022 in Frankreich.“

Text : Thomas Müller