Heute erwacht die Vergangenheit
Volksbund-Aktionen zum Weltfriedenstag
Der Tag des Kriegsbeginns vor 73 Jahren ist zugleich der Weltfriedenstag. Dabei wird nicht vornehmlich an den Krieg erinnert, sondern vor allem an den in die Zukunft gerichteten Wunsch nach weltweitem Frieden. Auch der Volksbund ist am 1. September aktiv. In vielen Städten gibt es Kranzniederlegungen und Gedenkveranstaltungen. In Kassel sind es zwei besondere Aktionen, die für Aufmerksamkeit sorgen: Die Neupflanzungen im Ginkgo-Hain sowie die Lesung des Entertainers und Opernsängers Gunther Emmerlich in der Karlskirche. Mit dabei ist auch eine Gruppe von Volksbund-Förderern, die zu einem Besuch der Kunstausstellung documenta 13 nach Kassel reist.
Schon zu Beginn des Weltfriedenstages setzen die Volksbund-Förderer ein wichtiges Zeichen. Denn die neuen Ginkgo-Bäume, die heute gepflanzt werden, symbolisieren jene Hoffnung, auf die sich dieser Tag begründet. Nachdem in Hiroshima die Atombombe fiel, war es der Ginkgo, der als erstes frische Blätter austrieb und neues Leben hervorbrachte. So wurde er zu einem Symbol des Friedens. Der Kasseler Ginkgo-Hain zeichnet sich dabei durch eine Besonderheit aus, da er durch die Kleinen der angrenzenden Kindertagesstätte Kleiner Holzweg regelmäßig besucht und betreut wird.
Die Zeichen des Krieges sind in der Karlskirche dagegen kaum mehr zu sehen. Dabei wurde auch dieses Gotteshaus im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe fast völlig zerstört. Nach dem Wiederaufbau spendeten Gemeindemitglieder die ersten Glocken in Gedenken an die zahllosen Opfer des Krieges. Sie sind auch am Weltfriedenstag 2012 ein Teil des schönen Glockenspiels dieser Kirche in der Kasseler Innenstadt. Zu Beginn des Gottesdienstes hören die Besucher das Glockenspielwerk von Wilhelm Bender, der 1944 als Soldat ums Leben kam. „Heute erwacht die Vergangenheit“, sagt die Pfarrerin Inge Böhle anschließend zu den etwa 200 Gästen, die vom Volksbund-Kreisvorsitzenden und Oberbürgermeister Bertram Hilgen begrüßt werden.
Neben den etwa 20 Jugendlichen der Georg-August-Zinn Europaschule, die das Programm ebenfalls mit Lesungen bereichern, steht Gunther Emmerlich im Blickpunkt. Die meisten kennen ihn aus verschiedenen Fernsehsendungen, wissen aber häufig nicht, dass er das Schicksal von vielen Menschen seiner Generation teilt: Er ist ein Kriegskind: „Ich gebe nicht auf, nach einem Mann zu suchen, den ich nicht kannte und der mein Vater war“, sagt Emmerlich. Seine Spurensuche ist noch nicht beendet. Sie lässt ihn nicht los. Seine Erfahrungen und Gefühle hat er unter anderem in dem autobiographischen Werk Zugabe niedergelegt. Wenn er daraus vorliest, hört er von den Zuhörern später häufig: „Das ist ja genau wie bei mir!“ So ergeht es auch vielen Besuchern der Kasseler Karlskirche.
Im Anschluss an die Volksbund-Veranstaltung zieht dann der documenta-Künstler Arnd Drossel die Aufmerksamkeit auf sich. Mit seiner begehbaren Eisengeflechtkugel läuft er durch ganz Deutschland. Als er in Kassel am Weltfriedenstag mit seinem Lauf fortfährt, erklingt das Spiel der Glocken, auf den heute noch die Namen der Kriegsopfer stehen, an die sie erinnern sollen. So endet der Weltfriedenstag 2012 in Kassel.
Maurice Bonkat