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Mit der Großnichte am Grab von Anton Franz Schmid

Seit 1959 Workcamps für Auszubildende der Carl Zeiss AG aus Oberkochen – besondere Verbindung zu Ysselsteyn

Lang ist die Liste der Workcamps für Auszubildende der Carl Zeiss AG aus Oberkochen bei Aalen. Seit 1959 leisten sie auf Friedhöfen im europäischen Ausland wertvolle, spezialisierte Arbeiten und gehören damit zu den Pionieren. Zum elften Mal war Ysselsteyn in den Niederlanden das Ziel. In der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte traf die Gruppe die Buchautorin Conny Scheck und lernte über sie das Schicksal ihres Großonkels Anton Franz Schmid kennen.


Conny Scheck hatte drei Bücher dabei: „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ ist der Titel einer Trilogie, die die Arbeitsgruppe „SLG – Spuren Lebendig Gemacht“ herausgebracht hat. Zeitzeugen, deren Wege sich in Bad Saulgau und Umgebung in Oberschwaben kreuzten, erzählen darin die Geschichten ihrer Familien. Sie blicken zurück auf ihre Kindheit und Jugend in Kriegszeiten, auf Verlust, Vertreibung und Alltag im Krieg.
 

Pilot aus Bad Saulgau, 25 Jahre alt

Den Impuls zu diesem Projekt hatte die Suche nach einem 1944 in den Niederlanden abgestürzten Piloten aus Bad Saulgau gegeben – Conny Schecks Großonkel. Anton Franz Schmid war gerade mal 25 Jahre alt, als sein Flugzeug nachts mit einer anderen deutschen Kampfmaschine zusammenstieß. Er kam mit der ganzen Besatzung zu Tode, doch die sterblichen Überreste wurden nicht gefunden.

Das änderte sich 2019, als man auf einem offenen Gelände bei „HET Grisene Singel“ die Überreste der Maschinen entdeckte. Douwe Visser, der mit weiteren Männern aus der Friesischen Region über Jahre recherchiert hatte, ging auf Spurensuche zur Geschichte der Familie Schmid und wurde im Stadtarchiv in Bad Saulgau fündig. Der Kontakt zur Großnichte Conny Scheck war schnell hergestellt – sie wohnt heute unweit von Ysselsteyn in den Niederlanden. Anton und seinen Kameraden fanden 2019 ihre letzte Ruhestätte auf diesem deutschen Soldatenfriedhof.

Erster Besuch am 100. Geburtstag

An Antons 100. Geburtstag war ich zum ersten Mal in Ysselsteyn“, sagte die Autorin. Noch nie hat sie einer Jugendgruppe diese Geschichte erzählte.

„Ich werde die würdige Stille beim Betreten des Friedhofs nicht vergessen. So still – obwohl gerade in diesem Moment das Glockenspiel läutete. Ich war die erste, die sein Grab besuchen konnte, denn niemand in Antons Heimat wusste, wo er begraben war. Auch seine Mutter nicht. Dies war ein sehr, sehr bewegender Moment – ein unbekanntes Grab hatte plötzlich ein Gesicht, das Gesicht unserer Familie.“
 

Emotionale Wirkung bleibt

Antons Geschichte steht stellvertretend für die millionenfachen menschlichen Tragödien, die der Zweite Weltkrieg verursacht hat und die immer noch in den Familien der Hinterblieben tief verwurzelt sind. Das wurde schon am ersten Tag des Workcamps klar, als die 22 jungen Auszubildenden und ihr Ausbildungsleiter den Friedhof bei einer Führung kennenlernten. Für Jan Heemels als pädagogischer Mitarbeiter der Jugendbildungs- und Begegnungsstätte sind es genau solche Begegnungen und Geschichten, die die Bildungsarbeit beim Volksbund ausmachen.

Nach dem Treffen mit Conny Scheck sagte er: „Es ist sehr wichtig und sinnvoll, dass die heutige Generation mit diesen Familiengeschichten in Berührung kommt. Dass der Tod von Anton Schmid noch immer eine so emotionale Auswirkung auf Conny Scheck hat, zeigt, dass die Nachwirkung von Krieg und Gewalt auch viele Jahrzehnte nach den Ereignissen noch seine Spuren hinterlässt. Das haben die Auszubildenden der Carl Zeiss AG hautnah empfunden.”
 

Buchpräsentation mit Schneiderhan

Beim Treffen auf der Kriegsgräberstätte lag die Buchpräsentation erst ein paar Wochen zurück. Die Trilogie war am 25. Mai 2023 in Bad Saulgau vorgestellt worden. Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan hatte die einleitende Rede in seiner Heimatstadt gehalten. Die „Schwäbische Zeitung” hat das Projekt vorgestellt: Über 100 Saulgauer Zeitzeugen erinnern sich - Arbeitsgruppe bringt Trilogie heraus

Erstes Workcamp 1959

Seit dem ersten Workcamp der Auszubildenden der Carl Zeiss AG 1959 lag zunächst der Schwerpunkt der Einsätze im Elsass und in Österreich. Gerade in diese Zeit leisteten sie dort einen wertvollen Beitrag nicht nur zu Bau und Pflege von Friedhofsanlagen, sondern auch zum europäischen Versöhnungsprozess. Denn das Engagement der jungen Menschen blieb im jeweiligen Gastland nicht unbemerkt und hatte neben der fachlich hervorragenden Arbeit eine starke symbolische Wirkung.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs fanden auch Einsätze in Osteuropa statt, wo das handwerkliche Können der Auszubildenden bei der Restaurierung der Friedhöfe in der Slowakei, Polen und Ungarn ganz besonders gefragt war.

Angebot an alle Auszubildenden

Bildung und Begegnung haben im Laufe der Jahrzehnte zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind heute unverzichtbare Bestandteile des Programms. Jedes Jahr schreibt die Carl Zeiss AG die Teilnahme an diesem Workcamp im Werk in Oberkochen mit mehreren tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Die meisten von denen, die sich dafür melden, sind Auszubildende der Mechatronik.

Dieses Workcamp mit seiner 65-jährigen Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Jugendarbeit des Volksbundes. Seit 70 Jahren bietet er internationale Jugendbegegnungen und Workcamps an. „courage counts” ist das Motto einer Kampagne, die diesen "runden Geburtstag" in diesem Jahr begleitet. Die Gruppen der Carl Zeiss AG gehören damit zu den Pionieren der Volksbund-Arbeit auf diesem Gebiet.

Text: Heike Baumgärtner
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