Seite an Seite in Frieden
70. Jahrestag Luftlandung auf Kreta
Helga Proff ist heute zum dritten Mal in Maleme, obwohl Sie den ersten Besuch im Jahr 2001 noch nicht so ganz verarbeitet hat. Damals war es der 60. Jahrestag der Luftlandung auf Kreta, bei der damals auf beiden Seiten so viele Soldaten starben. Einer von Ihnen war ihr Vater, Leutnant Wilhelm Proff. Zum 70. Jahrestag ist sie wieder auf Kreta. „Und es ist noch immer ein sehr bewegendes Erlebnis für mich,“ sagt die Frau aus Österreich. Dieses Gefühl teilen die über 600 Gäste der internationalen Gedenkfeier auf der malerischen deutschen Kriegsgräberstätte mit Blick auf das Mittelmeer.
Es gibt keine Sieger
Am Tag zuvor hatten die Delegationen des Bundes Deutscher Fallschirmjäger (BDV e.V.) und um Volksbund-Vizepräsident Prof. Volker Hannemann auch auf der britischen Kriegsgräberstätte an der Suda-Bucht der dort bestatteten Toten vieler Nationen gedacht. An dem Gedenk- und Ruheort ihrer 4 500 deutschen Schicksalsgenossen findet Hannemann dann die Worte, welche die Erkenntnisse aus den schrecklichen Geschehnissen der Vergangenheit passend auf den Punkt bringen: „Kriege dürfen heute kein Mittel der Politik sein; denn das lehren uns auch die vergangenen Jahrzehnte: Es gibt keine Sieger auf den Schlachtfeldern.“
Blumen für Unbekannte
Es wird deutlich, was alle Redner eint: die Mahnung für den Frieden und die würdevolle Erinnerung an die Toten. So sieht es auch die Angehörige Helga Proff: „Ich bin dem Volksbund sehr dankbar, wie würde- und liebevoll die Gräber gepflegt werden.“ Und tatsächlich ist der Soldatenfriedhof Maleme mit seinen Ölbäumen, dem weiten Blick auf die See und einem rötlichem Blumenmeer eine der eindrucksvollsten Kriegsgräberstätten weltweit. Hannemann erinnert auch an die Toten der kretischen Zivilbevölkerung und gedenkt beim Verlesen des Totengedenkens, angesichts der von hier nach Libyen startenden Jets, der Toten der heutigen Kriege. In diesen Tagen werden die Gräber von Maleme mit tatkräftiger Unterstützung durch die Reisegruppe des BDF e.V. zusätzlich mit über 300 weißen Blumensträußen geschmückt, welche zahlreiche Angehörige und Mitglieder des Volksbundes zuvor für die unbekannten Toten gespendet hatten, nachdem zuvor Oberstleutnant a.D. Dieter Oberbeck und Helga Proff die Vasen an den Gräbern der Unbekannten aufgestellt hatten. Darüberhinaus wurden von den Vorgenannten die Angehörigenwünsche nach Blumenschmuck und Grabfotos erfüllt, indem sie an den entsprechenden Gräbern bunte Blumensträuße aufstellten und Fotografien fertigten, welche den Angehörigen, denen es nicht möglich war zu kommen, nach Hause übersandt werden.
Das erste und letzte Mal
Unbekannt ist für Helga Proff gewissermaßen auch ihr eigener Vater – auch wenn die Mutter immer viel über ihn als geselligen Menschen erzählte, während sie über den Krieg bis zu ihrem Tode kein Wort verlor. Doch Töchterchen Helga war damals ohnehin noch viel zu klein, um eine dauerhafte Erinnerung an ihn entwickeln zu können. Nur eine besondere Verbindung zu den Fallschirmjägern, die ihrer Familie nach dem Tod des Vaters und der Flucht zur Seite standen, verspürte sie all die Jahre. Ihr Bruder wurde sogar erst nach dem Kriegstod des Vaters geboren. Er war 1978 zum ersten und letzten Mal auf Maleme. „Für ihn war dieser höchst emotionale Moment einfach zu viel,“ sagt seine große Schwester heute. Aber auch Sie selbst hatte Mühe, ihre Gefühle in erträgliche Bahnen zu lenken: „Als ich 2001 zum ersten mal hier war, habe ich beinah unbewusst ein langes Gespräch mit meinem Vater geführt. Dabei kamen viele Dinge hoch, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie erlebt hatte. So drängten sich auch die Erlebnisse unserer Flucht aus Breslau wieder bildhaft und sehr konkret in meine Gedanken. Das war ein sehr beeindruckendes Erlebnis für mich – und hat mich meinem Vater sicher noch ein Stück näher gebracht.“
Die würdige Erinnerung an die Toten ist für die Angehörigen ungemein wichtig. Diesen Anspruch teilen auch die internationalen Gäste. Unter Ihnen sind drei Reisegruppen des Volksbundes mit Angehörigen, 17 Soldaten der Bundeswehr vom Gebirgsaufklärungsbataillon 230 aus Füssen, der ehemalige griechische Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis (94), der stellvertretende Heeresinspekteur Generalleutnant Bruno Kasdorf, dazu zahlreiche Vertreter, aktive und ehemalige Soldaten aus Neuseeland, Australien und natürlich des Gastgeberlandes Griechenland. Sogar ein Mitglied des englischen Königshauses ist anwesend. Prinz Richard, der Duke of Gloucester, legte einen der vielen Kränze samt Poppys nieder. Ein weiteres Gebinde wurde persönlich vom neuseeländischen Verteidigungsminister niedergelegt, dazu eine kleine handgeschriebene Notiz (sinngemäß übersetzt): „Sie dienten ihrem Land in Pflichterfüllung und Loyalität. Mögen sie Seite an Seite in Frieden ruhen.“
Maurice Bonkat