Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Gräbersuche Mitglied werden Jetzt spenden Spenden

Volksbund-Jugendarbeit: neue Netzwerke in ganz Europa

Partnerkonferenz mit 13 Nationen: Nicht entmutigen lassen – in Zeiten des Krieges für den Frieden lernen  

Das Datum war bewusst gewählt: Für den 6. bis 9. Mai 2023 hatte das Team des Fachbereichs internationale Jugendbegegnungen Partnerorganisationen aus dem Ausland zu einem Seminar nach Berlin eingeladen. Themen waren Vernetzung, Erinnerungskultur und historisch-politische Bildung. Am 8. Mai erinnerten die ehemaligen Kriegsgegner gemeinsam an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa vor 78 Jahren.
 

Wie kann man der unzähligen Opfer angesichts eines neuen Krieges in Europa gedenken? Haben wir aus den Fehlern der Geschichte nichts gelernt? Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Netzwerktreffens, das mit Fördermitteln des europäischen ERASMUS-Programms finanziert wurde. In Workshops, bei Präsentationen und in Kleingruppenarbeit tauschten sie sich auf Englisch zu verschiedenen Themen aus.

Input dazu bekam die Gruppe bei einem Vortrag von Prof. Dr. Oliver Plessow von der Universität Rostock zum Thema: „Aktuelle Chancen, Herausforderungen und Handlungsoptionen internationaler Jugendarbeit“. Plessow ist auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Volksbundes. Neben dem fachlichen Austausch war die persönliche Begegnung nach der Zeit der Corona-Einschränkungen sehr wichtig.
 

Von Belgien bis Georgien

Sie kamen aus Lettland, Slowenien und der Türkei, Frankreich, Ungarn, Polen, Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Bosnien, Herzegowina, Georgien und auch aus der Ukraine. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer entwickeln seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Volksbund Projekte oder unterstützen seine Angebote im Ausland. Für andere war es ein guter Rahmen, die Volksbund-Arbeit kennenzulernen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten.

Besonders interessant war dabei die internationale Perspektive der Gedenkarbeit und der historische Anknüpfungspunkte. Ob Ypern in Belgien im Jahr 1917, Berlin im Jahr 1945 oder Sarajewo in den 1990er Jahren – das Schicksal von Menschen im Krieg war das zentrale Thema.
 

„courage counts”: Haltung und Mut

Organisiert wurde das internationale Netzwerktreffen anlässlich 70 Jahre Jugendarbeit, auf die der Volksbund in diesem Jahr zurückblickt. Die Kampagne dazu trägt den Titel „courage counts” – Haltung zählt. Das heißt auch: Stellung beziehen gegen nationalistische Propaganda, Menschenfeindlichkeit und Vorurteile und sich engagieren für Demokratie, Freiheit und Frieden – auch wenn es schwierig ist.

Wie wirkt sich der Ukrainekrieg auf die tägliche Arbeit aller Bildungsträger aus? Diese Frage war bei den Workshops zu den Themen Veränderung in der Gedenkarbeit sowie zur historisch-politischen Jugendarbeit ständig präsent.
 

Wunsch für junge Leute in der Ukraine

Olena Andriichuk vom „Lyceum 4“ aus dem ukrainischen Kostopil hofft, dass junge Menschen aus ihrem Land bald wieder die Chance haben, zu reisen, um die Welt zu entdecken und sich frei entfalten zu können.

„Erst Corona, dann der Krieg. Überlegt doch, was das für junge Menschen bedeutet! Für uns Erwachsene sind das wenige Jahre. Für junge Menschen hat das eine ganz andere Dimension“, sagte sie. Auf den Krieg angesprochen, schüttelte sie traurig den Kopf und winkte ab. „Niemand, niemand hat sich das vorstellen können.“
 

Zum Beispiel „Walk of peace“

Beispiel warfen Schlaglichter auf die internationale Zusammenarbeit: Maša Klavora aus Slowenien beschrieb den „Walk of peace“: Der 230 Kilometer lange Friedensweg verbindet unzählige Friedhöfe verschiedener Nationen, Museen und Gedenkstätten und führt von Italien nach Slowenien – auch durch das Soccatal. Hier fanden im Ersten Weltkrieg die verlustreichen Schlachten am Isonzo statt. „Das ist interessant und spannend für junge Menschen, aber wir wünschen uns mehr pädagogische Elemente. Hier hoffe ich auf das Wissen des Volksbundes“, sagt sie.

Heidi Timmermann aus Belgien organisiert Jugend- und Gedenkarbeit in Westflandern. Sie entwickelt Fahrradtouren, die zu Kriegsgräberstätten und durch Landschaften führen, die die Kriege verändert haben. Dort werden die Jugendlichen aufgefordert, sich in problematische Situationen hineinzuversetzen. So können sie möglicherweise nachvollziehen, in welchem Dilemma sich gleichaltrige Menschen im Krieg befanden.
 

Gedenken am 8. Mai in Berlin

Biographien schaffen Zugang: Beim Besuch des Spandauer Friedhofs „In den Kisseln” setze sich die Gruppe mit Biographien von Kriegstoten auseinander und reflektierte Methoden für Bildungsprojekte. Thomas Rey, Referent im Hauptstadtbüro, führte die Gruppe anschließend zu Gedenkorten für die verschiedenen Opfergruppen des Nationalsozialismus.

„Nie wieder!“ in der Gedächtniskirche

Für alle bewegend war die Teilnahme an der Andacht zum 8. Mai in der Berliner Gedächtniskirche. Es war ein würdiger Abschluss des Seminars am Tag des Gedenkens an alle Opfer des Krieges. Ein Moment des Innehaltens, in dem alle nochmals die Themen des Seminars verinnerlichten und persönliche Statements vortrugen.

Zu hören war zum Beispiel das: „Ich möchte Ihnen die Botschaft mitteilen, die meine Vorfahren an ihre Kinder weitergegeben haben: ‚Nie wieder!‛ Heute liegt es an uns, diese Geschichten weiter zu erzählen, damit dieses ‚Nie wieder!‛ eintritt und wir uns weiterhin gemeinsam für den Frieden einsetzen. Denn das ist der Grund, warum wir uns an die Vergangenheit erinnern: um eine bessere Zukunft aufzubauen.”
 

70 Jahre Jugendarbeit

Die Volksbund-Jugendarbeit bringt seit 70 Jahren junge Menschen aus ehemals verfeindeten Staaten an Gedenkorten und auf Kriegsgräberstätten zusammen – ein Alleinstellungsmerkmal in der Arbeit mit jungen Leuten und ein Erfolgskonzept zugleich. Das Ziel: die Erziehung zum Frieden. An diesen Orten erkennen junge Menschen seinen Wert und knüpfen Freundschaften über Grenzen hinweg.  

„Erst Corona, dann der Krieg. Überlegt doch, was das für junge Menschen bedeutet! Für uns Erwachsene sind das wenige Jahre. Für junge Menschen hat das eine ganz andere Dimension.“

Olena Andriichuk vom „Lyceum 4“ aus dem ukrainischen Kostopil