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Gemeinsam statt gegeneinander

Gedenken in Pankow/Schönholzer Heide

„Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Wir können nichts ungeschehen machen. Aber wir können aus der Geschichte lernen – für die Zukunft.“ Mit diesen Worten wandte sich Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan am Vortag des Volkstrauertages an die Vertreter der ehemaligen Sowjetstaaten. Die hatten sich auf der Gedenkstätte in Berlin-Pankow eingefunden, um dort an all die Millionen Opfer zu erinnern, die ihre Völker im Zweiten Weltkrieg erleiden mussten. Direkt im Anschluss folgte eine weitere Gedenkzeremonie auf dem Gräberfeld des Zweiten Weltkrieges in der Schönholzer Heide. Dort liegen vor allem Opfer der Berliner Zivilbevölkerung, die ähnlich wie die Sowjetsoldaten noch kurz vor Ende des Krieges ihr Leben verloren hatten.

 

In seiner Rede betonte Wolfgang Schneiderhan neben der so wichtigen Erinnerung an das Leid des Zweiten Weltkrieges aber auch das positive Verhältnis, das Russland, Weißrussland, die Ukraine und viele weitere Staaten der ehemaligen Sowjetunion heute mit dem Volksbund verbindet. Dies bezog er auf das seit nunmehr 26 Jahren bestehende Kriegsgräberabkommen mit der Russischen Föderation sowie auch auf die vertrauensvolle und eingespielte Zusammenarbeit mit der Ukraine, Weißrussland und vielen weiteren Ländern im Osten Europas. Denn genau dort würden durch den Volksbund und dank vielfältiger Unterstützung der jeweiligen Länder Jahr für Jahr insgesamt weit über 15.000 Kriegstote des Zweiten Weltkrieges geborgen. Erst kürzlich wurde in Wolgograd ein Massengrab mit 1.800 deutschen Soldaten entdeckt.

 

Gemeinsame Arbeitseinsätze verbinden

Wolfgang Schneiderhan kennt dies aus der Praxis. Regelmäßig besucht er gemeinsame Arbeitseinsätze, beispielsweise von deutschen und russischen Soldaten, die sich im Zuge ihrer bedeutsamen Tätigkeit auf der Suche nach Weltkriegsgräbern auch persönlich näherkommen. Jüngstes Beispiel hierfür war die gemeinsame, deutsch-russische Grabsuche in den Gletschergebieten des Kaukasus: „Was mich berührte, war zu beobachten, wie sich die jungen Soldaten anfangs vorsichtig begegneten, aber immer mehr zusammen fanden. Dies zeigt, dass persönliche Begegnungen helfen, Vorurteile abzubauen und ein gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen“, sagte Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan.

 

Ein aufrichtiger Dank

Dafür und für all die anderen Jugendprojekte, Begegnungen und Veranstaltungen, die der Volksbund in diesen Ländern in die Tat umsetzt, bedankte sich auch Iryna Tybinka (Foto unten, rechts neben Daniela Schily), die Gesandte-Botschaftsrätin der Botschaft der Ukraine. In ihrer Gedenkrede betonte sie ebenso das Gemeinsame, das Verbindende zwischen den ehemals verfeindeten Völkern: „Ich möchte diesen Anlass auch nutzen, um dem Volksbund für seine sämtlichen Aktivitäten einen aufrichtigen Dank auszusprechen. Ihre edelmütige und unermüdliche Arbeit an der Bewahrung von Erinnerung an die Opfer, an der Feststellung derer Namen und am Wissenstransfer an die jüngeren Generationen über das Grauen des blutvergießenden Krieges verdient die allerhöchste Anerkennung.“

 

Kinder des Krieges

Anschließend berichtete Iryna Tybinka von der Buchpräsentation des Sammelbandes „Kinder des Krieges“, in dem viele Kriegsschicksale aus sehr unterschiedlichen Perspektiven eindrucksvoll und nachhaltig vermittelt werden: „Ihre Erlebnisse besagen eindeutig das, was ich vor kurzem schon erwähnt habe: vor dem Krieg bleibt keiner verschont. Vor dem Antlitz des Krieges sind alle gleich, ganz egal, in welchem Alter, welcher Nationalität oder welcher Gesinnung man ist.“

 

Auch mit Blick auf das aktuell schwierige Verhältnis zur ehedem als „Schwesternation“ betrachtete Russland formulierte die Vertreterin der Ukrainischen Botschaft ein passendes Fazit, das den Geist dieser Gedenkveranstaltung gut zum Ausdruck brachte:

„Dieser Krieg hat uns vor Augen geführt, wie wertvoll ein menschliches Leben ist und wie einfach es leider zerstört werden kann. Der Krieg hat uns auch gezeigt, dass das menschliche Leben nur in einem freien Demokratie Gewicht und Wert hat. Für ein totalitäres Regime hingegen bedeutet ein Menschenleben nicht mehr als eine Statistik oder ein Mittel zum Zweck. Wenn wir heute der Opfer des Zweiten Weltkrieges gedenken, sollten wir uns auch bewusst sein, dass jede Politik, die gegen das Recht und die Freiheit gerichtet ist, keine Existenzberechtigung hat. Kein Staat darf der Herrschaft der Gewalt anstelle der Rechtsstaatlichkeit folgen – sonst besteht die reale Gefahr, dass sich solche Katastrophen wiederholen.“

Dem würden wohl auch die zivilen Opfer zugestimmt haben, die unweit der sowjetischen Gedenkstätte in der Schönholzer Heide ihre letzte Ruhestätte haben. Auch sie sarben noch kurz vor Kriegsende. Diesen Ort erreicht man nur über einen schmalen Feldweg, der an einem kleinen Waldstück endet. Es ist ein beschaulicher, ein wahrhaft ruhiger Ort. Dort veranstaltet der Volksbund gemeinsam mit seinen internationalen Gästen ebenfalls eine Gedenkzeremonie in Gedenken an diese – und auch alle anderen Opfer der Weltkriege.

Maurice Bonkat