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Aus anderer Perspektive – der Kreis schließt sich

„Hitlers Elitetruppe? Mythos Fallschirmjäger“ heißt eine Ausstellung im Militärhistorischen Museum in Dresden, die noch bis Januar 2022 zu sehen ist. Oberstleutnant a.D. Christoph Schwarz ist Bundeswehrbeauftragter des Volksbundes, ehemaliger Fallschirmjäger und hat die Ausstellung bewertet.

43 Jahre ist es her, dass ich das deutsche und das französische Fallschirmspringerabzeichen erworben habe. Beide trug ich 38 Jahre lang mit Stolz an meiner Uniform. Seit fünf Jahren bin ich pensioniert, der Bundeswehr über meine Tätigkeit für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aber weiter eng verbunden. Nur meine Perspektive hat sich verändert.

Es war daher keine Frage, dass ich mir die Ausstellung „Hitlers Elitetruppe? Mythos Fallschirmjäger“ im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden ansehen würde. Ein erster Blick rundum: Sehr kompakt, viel weniger Umfang als ich erwartet hatte. Der Grund: Zahlreiche der ursprünglich vorgesehenen Exponate, namentlich aus Griechenland, Italien und Polen, haben pandemie bedingt den Weg nach Dresden nicht gefunden.

 

Kreta und Monte Cassino

Schade, Kreta und Monte Cassino in Italien sind – vielleicht neben Eben Emael – nun einmal die beiden Schauplätze, wenn es um die deutsche Fallschirmjägertruppe im Zweiten Weltkrieg geht. Auch die Ausstellung nimmt darauf naturgemäß immer wieder Bezug. Ob unter diesen Umständen nicht eine Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt angebrachter gewesen wäre, muss daher als Frage im Raum stehen bleiben. Ebenso, ob dadurch nicht die Chance auf ein wegweisendes Projekt mit bleibender Wirkung auf lange Zeit vertan wurde.
Denn – und damit schließt sich ein Kreis – wir haben uns mit den genannten Ländern seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur ausgesöhnt, vielmehr sind wir mit ihnen in mehrfacher Hinsicht heute verbunden und verbündet. Auch und gerade die Luftlandetruppen der Bundeswehr arbeiten mit den Luftlandetruppen dieser Länder sehr eng zusammen und pflegen vielfältige Partnerschaften mit ihnen – wie auch mit denen aller anderen verbündeten und befreundeten Länder.

Unter Würdigung dessen wäre der Ausstellung – neben einem dann störungsfreien Leihverkehr von Exponaten – nämlich auch ein regerer Besuch aus unseren Partnerländern zu wünschen gewesen, als das gerade in diesen Monaten mit zum Teil drastischen Einschränkungen möglich ist. 

Der Abwurfbehälter

„Ich habe – trotz jahrelanger Erfahrungen, die nun schon etwas zurückliegen – einige neue Erkenntnisse gewinnen können.: So sah ich zum ersten Mal im Original einen Abwurfbehälter, hier eingerichtet für Handwaffen. Er steht dafür, dass die Fallschirmjäger bei ihrer Landung auf Kreta keine wirkungsvollen persönlichen Handwaffen mitführen konnten. Obgleich die Soldaten oft mitten in den Stellungen des abwehrbereiten Feindes sprangen, waren sie zunächst zwingend auf das unmittelbare Auffinden dieser Abwurfbehälter angewiesen, um am Kampf teilnehmen zu können.

Bekanntermaßen gelang das in vielen Fällen nicht und erhöhte daher unnötig die Opferzahlen einer ohnehin unnützen – weil einem verbrecherischen Angriffskrieg geschuldeten – Operation. Welch ein Wahnsinn! Heute stehen die Gegner von damals gemeinsam auf den Soldatenfriedhöfen und gedenken der Opfer dieser unseligen Zeiten (https://www.volksbund.de/nachrichten/freundschaft-als-kostbares-geschenk). 

Welch ein Fortschritt und wer hätte das im Mai 1941 geahnt. Nur dürfen wir bei dem Erreichten nicht stehenbleiben, sondern müssen vielmehr proaktiv und im Vorfeld tätig werden, um aktuell drohende Gefahren zu entschärfen, bevor sie sich eines Tages erneut in Gewalt, Tod, Verlust und Zerstörung entladen. Unter diesem Aspekt finde ich es eine sehr gute Sache, dass die Bundeswehr – wenn auch relativ spät – das Militärhistorische Museum in Dresden gegründet hat. Ein aus meiner Sicht längst überfälliges offizielles Bekenntnis zur deutschen Militärgeschichte und ihrer kritischen Betrachtung. So habe ich die Eröffnung damals im Gefolge der deutschen Einheit aufgefasst. In den ersten beiden Dekaden fand sich deutsche Militärgeschichte oftmals nur fragmentiert und weiträumig ausgelagert in Lehrsammlungen dargestellt. 

Aber zurück zur Fallschirmjägerausstellung und ihren Kernaussagen: „Hitlers Elitetruppe?“ lautet die erste, immerhin mit einem Fragezeichen versehen. Auch mit Blick auf die Exponate hat diese Aussage zwei Aspekte: Zum einen aus Sicht der Truppe, zum anderen aus Sicht des Diktators. Zu beiden Perspektiven belegt die Ausstellung entsprechende Aussagen.
Dass die Truppe sich selbst als Elite wahrgenommen hat, lässt sich gut nachvollziehen; ich denke aber, die Fallschirmjäger standen damit bei weitem nicht allein, sondern teilten diese Selbsteinschätzung mit anderen Truppengattungen. Und der Diktator? Vermutlich gab es auch aus seiner Sicht eine ähnlich hohe Zahl von Elitetruppen. Wenn es darum ging, Opferbereitschaft – das heißt: Tod, Verstümmelung und bestenfalls Gefangenschaft – zu wecken, zu verlangen oder zu würdigen, dürfte er mit solchen Prädikaten ebenfalls nicht sparsam umgegangen sein. 

Daran anknüpfend steht für mich als Kritik im Raum, dass mit manchen Exponaten möglicherweise Außergewöhnliches zum Normalen erklärt wird. Alle Exponate und Nachweise werden authentisch sein, daran besteht für mich kein Zweifel. Ob aber das, was sie als typisch belegen sollen, auch wirklich typisch oder aber eher untypisch ist, ist aus meiner Sicht fraglich. 

Mythos Fallschirmjäger

Die zweite Kernaussage –„Mythos Fallschirmjäger“ – unterstreiche ich dagegen voll und ganz. Ja, dieser Mythos ist meiner Meinung nach noch immer existent! Und das zu Recht. Bei der Frage nach seiner Genese würde ich allerdings einen wesentlich breiteren Ansatz als die Ausstellungsmacher wählen und hier neben den von der Wehrmacht des Zweiten Weltkrieges übernommenen Anteilen zu mindestens dem gleichen Umfang die Traditionen der Fallschirmjäger unserer verbündeten und befreundeten Staaten miteinbeziehen – hier namentlich Frankreich, Belgien, Israel, USA und Großbritannien. Und nicht zuletzt die zwischenzeitlich bundeswehreigene Tradition, auf die die Ausstellung ebenfalls verweist. Das zusammen macht diesen Mythos meiner Meinung nach heute aus.


Text: Christoph Schwarz, Kontakt: christoph.schwarz@volksbund.de


Mehr Informationen: www.mhmbw.de

Militärhistorisches Museum Dresden
Olbrichtplatz 2 
01099 Dresden 
Öffnungszeiten
täglich: 10-18 Uhr Mittwoch geschlossen