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Dreiklang zum Auftakt

Gedenkveranstaltungen vor dem Volkstrauertag in Pankow, Plötzensee und der Lilienthalstraße

Mitten im Alltag innehalten. Momente der Stille und mahnende Worte im Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft: An drei Orten in Berlin geschah das am 13. November, am Tag vor dem Volkstrauertag, mit Kranzniederlegungen in größerem Kreis: auf der sowjetischen Gedenkstätte in Pankow, in der Gedenkstätte Plötzensee und auf dem ehemaligen Standortfriedhof Lilienthalstraße. Dort schloss sich die Zeremonie des Volksbundes am Spätnachmittag an. An allen drei Orten galt der Appell, auf das Gedenken entschiedenes Handeln im Alltag folgen zu lassen.
 

Lilienthalstraße: Den Ton getroffen

Für einen langen, intensiven Moment senkte sich eine berührende Nachdenklichkeit über den ehemaligen Standortfriedhof. Die letzten Takte des schottischen Volksliedes „The Water Is Wide“ waren sanft ausgeklungen, den rund 200 Besucherinnen und Besuchern war deutlich anzumerken, dass das Stück, das der neue Generalsekretär Dirk Backen in den musikalischen Kanon aufgenommen hatte, den Ton getroffen hatte.

Es war ein melancholischer und doch hoffnungsvoller Ton, der sich durch die Veranstaltung zog. Sie fand nach den coronabedingten Einschränkungen 2020 wieder mit deutlich mehr Besuchern statt, darunter Militärattachés aus 25 Ländern. Neben den Vertretern der Partnerländer begrüßte Dirk Backen auch den Berliner Innensenator Andreas Geisel, Vize-Generalinspekteur Markus Laubenthal, Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan und seinen Vor-Vorgänger Reinhard Führer sowie als Ehrengast den aus Kosovo angereisten Gerichtsmediziner Dr. Arsim Gerxhaliu.
 

Aus Rivalen wurden Verbündete

Auch Eva Högl als Wehrbeauftragte des Bundes nahm diesen nachdenklichen und doch Mut machenden Ton auf, als sie ihre Rede den 59 in Afghanistan gefallenen Soldaten der Bundeswehr widmete: „Lange Zeit haben wir uns mit der Debatte aufgehalten, ob wir dort Krieg oder nur kriegsähnliche Zustände erleben“, so Högl. Spätestens mit dem so genannten Karfreitagsgefecht 2010 aber, als deutsche Soldaten „erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg in hochintensive Gefechte“ verwickelt worden seien, sei deutlich geworden, dass sich die Bundeswehr in einem „Kampf für Frieden und Freiheit“ befunden habe.

Högl betonte besonders die internationale Gemeinschaft, die in Afghanistan eingesetzt war: „Aus Rivalen von einst wurden Verbündete.“ Mit Blick auf die Militärattachés, die unter anderem Länder wie Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Polen, Kanada und die USA repräsentierten, dachte Högl über die internationale Einsatzgemeinschaft nach („sie kämpften zusammen, sie fielen zusammen“). Nachdem Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan das Totengedenken und die Militärgeistlichen Bernd Schaller und Bernhard Felmberg ein gemeinsames Gebet gesprochen hatten, senkte sich erneut eine berührende Nachdenklichkeit über den Friedhof an der Lilienthalstraße.

Text: Harald John


Die Gedenkfeier im Rückblick

Weitere Eindrücke in Wort und Bewegtbild finden Sie in unserer Fotostrecke sowie im Videorückblick. Zum Abspielen des Videos auf "Inhalt anzeigen" klicken.

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Eine bewegende Gedenkzeremonie in der Lilienthalstraße

Plötzensee: Niemals vergessen

Ortswechsel: Plötzensee am Mittag. „Nie musste ich Angst vor mir selbst haben, weil ich Entscheidungen traf, die mich retteten und andere das Leben kostete“. Das war einer der Sätze, die in der Gedenkstätte das Grauen der Vergangenheit mit der Gegenwart verband. Tony Weniger sprach sie als Ehrenmitglied des Jugendarbeitskreises (JAK) Berlin. Vom Glück, in der Gegenwart zu leben, war die Rede – ohne Diktatur, Hunger, Verluste, Krieg, Bespitzelung, Vertreibung und willkürliche Bestrafung.

Traditionell gestaltet die Berliner Volksbund-Jugend das Gedenken am Ort der zentralen Hinrichtungsstätte des Berliner Kammergerichtes und des berüchtigten Volksgerichtshofes. Zwischen 1933 und 1945 wurden dort knapp 3.000 Menschen hingerichtet – vorwiegend Regimegegner und Widerständler aus den Reihen des 20. Juli 1944 und des Kreisauer Kreises.
 

Fragen stellen, Brücken bauen

Tony Weniger verwies auf das aktuelle Leid der Flüchtlinge an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen und warnte vor erstarkendem Nationalismus. Was man dagegen tun kann? "Fragen stellen, Brücken bauen. Freundschaften schließen. Vorurteile abbauen", war seine Antwort, verbunden mit dem Appell, gemeinsam für Frieden einzustehen.

Cornelius Lübke, Sprecher des Jugendarbeitskreises Berlin, erinnerte an den Balkanfeldzug vor 80 Jahren, der vielmehr ein Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Jugoslawien und Griechenland mit anschließender Besatzung gewesen sei. Die Opfer hätten in der deutschen Gedenkkultur kaum einen Platz. Lübke berichtete von einer deutsch-griechischen Jugendbegegnung in Thessaloniki und dem Besuch des Märtyrerdorfes Chortiales. Er betonte, wie wichtig die historisch-politische Jugendarbeit des Volksbundes und die internationalen Begegnungen seien, denn sie ermöglichten Jugendlichen, informierter und reflektierter zu sein und machten Unbekannte zu Freunden.
 

Berührende Lyrik

Dr. Fritz Felgentreu, der Landesvorsitzende Berlin, hatte die Gedenkstunde eröffnet und unter anderem 24 Schülerinnen und Schüler des Gerhard-Hauptmann-Gymnasiums Berlin begrüßt. Einige von ihnen gestalteten die Zeremonie mit. Besonders berührend war das Gedicht "Du darfst nicht vergessen" von Pia Knappheide, das zwei Schülerinnen vortrugen. Jonathan Hilker, der stellvertretende JAK-Sprecher, führte durchs Programm.

Text:Diane Tempel-Bornett / Christiane Deuse

Pankow: Von Russland bis Ukraine

Ortswechsel: Pankow am frühen Vormittag. Unablässig brummen Motoren jenseits der Mauern und in der Luft – der Alltag geht weiter, als  Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan auf der sowjetischen Gedenkstätte von den rund 13.000 dort bestatteten Soldaten erzählt, von Verzweiflung, innerer Verwüstung und Wut und dem Leid ihrer Angehörigen, vom ungeheuren Blutzoll, den die Sowjetunion bis zur Eroberung Berlins im Frühjahr 1945 zahlen musste.

"Das alles erschüttert uns auch heute noch. Aber bei der Betroffenheit dürfen wir es nicht belassen", sagt er. Alles zu tun, damit dieser Krieg auch wirklich der letzte war, war sein eindringlicher Appell. Und er warnte vor der Aushöhlung von Demokratie und Menschenrechten, Verächtlichmachung von anderen und nationale Abschottung. "All dem müssen wir entgegentreten auch und vor allem im Alltag – im Beruf, im Verein, auf der Straße".

Elf Kränze sind zwischen der übergroßen Skulptur der "Mutter Heimat" und der Krypta mit dem enormen Obelisken aufgestellt: Zeichen des Gedenkens der Russischen Föderation, der Republiken Belarus und Armenien und auch wieder der Ukraine. Außerdem Kränze der Bundeswehr sowie der kommunalen Verwaltung Pankows und Fraktionen der dortigen Bezirksversammlung. Gemeinsam richten Vertreter der Botschaften und Institutionen die Schleifen.
 

"Hand reichen ist nicht leicht"

"Die Hand der Versöhnung zu reichen – das war und ist für die Menschen in Russland und der Ukraine, in Polen und in Griechenland, in Serbien und in Frankreich nicht leicht. Wir sind ihnen sehr dankbar, dass sie es dennoch tun", sagte Wolfgang Schneiderhan. Und fügte hinzu: "Ich bin außerordentlich dankbar, dass wir an all das heute gemeinsam denken."

Nach dem Totengedenken – verlesen auf deutsch und russisch – erklingt das Totensignal nach der Melodie "Der gute Kamerad".

Text: Christiane Deuse
 

Gedenkstunde: 14. November ARD live

Die Zentrale Gedenkstunde, die der Volksbund traditionell im Bundestag ausrichtet, beginnt am 14. November 2021 um 13.30 Uhr. Die ARD überträgt live aus dem Plenarsaal. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält die Gedenkrede. Reinhold Beckmann, TV-Journalist und Musiker, spielt das berührende Lied "Vier Brüder", das von seiner Mutter Aenne und dem Verlust seiner Onkel im Zweiten Weltkrieg erzählt.

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"Der vierte stumme Schrei" - Interview mit Reinhold Beckmann