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Freiwillige in Ysselsteyn: eine Woche mit voller Kraft

Drittes und letzte Workcamp für Erwachsene verkürzt und damit für größeren Kreis interessant

Der Herbst hatte längst Einzug gehalten auf dem Soldatenfriedhof im niederländischen Ysselsteyn, etwa 40 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Doch bevor sich der morgendliche Nebel vollends von der flächenmäßig größten deutschen Kriegsgräberstätte löste und den Sonnenstrahlen nachgab, klapperten in allen Winkeln der großen Anlage schon die Werkzeuge der Volksbund-Freiwilligen. Ein einwöchiger Arbeitseinsatz des Volksbundes für „Ü-30” war der Rahmen. Kürzer gefasst, ist es offenbar ein Angebot, das einem größeren Kreis die Teilnahme ermöglicht.
 

Rings um das neue, hochmoderne Besucherzentrum mit der multimedialen Dauerausstellung waren Gräben für ein neues Bewässerungssystem auszuheben, Rohrleitungen zu verlegen und anzuschließen. Andernorts galt es, die Grab- und Gedenksteine von Bewuchs oder den Spuren der Witterung zu befreien und wo nötig die Inschriften nachzuzeichnen. Eine Arbeit, die zwangsläufig eine intensive Auseinandersetzung mit den Namen der Bestatteten und einem Nachdenken über ihr Schicksal mit sich bringt.
 

Kein reiner Soldatenfriedhof

Fast 32.000 Kriegstote haben auf der riesigen Anlage ihre letzte Ruhe gefunden. Die meisten, aber nicht alle, waren Soldaten, weswegen Ysselsteyn eine Kriegsgräberstätte und kein reiner Soldatenfriedhof ist. Anders als die überwiegende Mehrheit der deutschen Kriegs- und Soldatenfriedhöfe wurde Ysselsteyn nach dem Vorbild eines amerikanischen Soldatenfriedhofs mit Einzelgräbern auf 28 Hektar angelegt.

Die unübersehbare Fläche mit Kreuzen ließ keinen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unberührt, machte sie doch die Dimension des durch Krieg und Gewaltherrschaft sinnlos verlorenen Lebens in mehrfacher Hinsicht deutlich. Denn 32.000 Menschen sind nicht nur in Ysselsteyn beerdigt, sondern 32.000 Menschen verloren durchschnittlich im Verlauf des Zweiten Weltkrieges ihr Leben an jedem Tag.

Schon der erste Arbeitstag hatte mit einer Führung über die Kriegsgräberstätte und Erläuterungen über die Hintergründe und Schicksale der Bestatteten sowie über die Entstehung der Anlage begonnen. Bei einem Besuch im Ooorlogsmuseum im nahegelegenen Overloon erfuhr die Gruppe noch mehr Hintergründe über die Zeit der deutschen Besatzung und die Befreiung durch die Alliierten. 

Besonders bei den Tätigkeiten auf der Friedhofsfläche – wie etwa dem Abräumen der von Wind und Sturm heruntergebrochenen Äste und dem Beseitigen von Laub – machten diese historischen Einordnungen die Arbeit auf der Kriegsgräberstätte und die Auseinandersetzung mit ihr besonders tiefgehend.

Vielfalt der Fähigkeiten

In Ysselsteyn unterhält der Volksbund auch eine seiner vier Jugend- und Bildungsstätten in direkter Nachbarschaft der Kriegsgräberstätte – das bedeutete: „interkontinentale“ Unterbringung in Bungalows namens „Africa“, „Asien“ oder „Amerika“ und keine Busfahrt nötig mit der Bundeswehr zu den verschiedenen Baustellen.

Während eine Gruppe an einem Ende der Anlage Geäst schredderte, wurde am anderen Ende Brennholz aufgeschichtet. Im Eingangsbereich galt es wiederum, Klinkersteine der Umfassungsmauer zu verfugen. Eine Vielzahl von Arbeitsfeldern also, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit unterschiedlichsten Fähigkeiten erledigten.

Nicht nur der Schrittzähler des kreuz und quer über die Anlage eilenden Volksbund-Teamleiters verzeichnete immer neue Höchstwerte – auch das Volksbund-Team in Ysselsteyn, das für Werkzeug und Material sorgte, wurde stetig auf Trab gehalten.

Dieses gleichbleibend hohe Maß an Motivation ist fraglos der einwöchigen Dauer des Arbeitseinsatzes im gut erreichbaren Ysselsteyn zuzuschreiben. Das bedeutete: Keine mehrtägige An- und Abreise und keine Notwendigkeit, mit den Kräften hauszuhalten, um zwei Wochen am Ball bleiben zu können. Das erlaubte es bei diesem Arbeitseinsatz allen Freiwilligen, durchweg mit voller Energie ans Werk zu gehen.

Trotz verkürzter Dauer gab es die Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen. Am Wochenende ging es für einen Tag nach Amsterdam. Bei der Bootstour auf den Grachten durch die Altstadt zeigte sich, wie anstrengend die Woche gewesen war: Die sonore Stimme des Kapitäns und das Wiegen des Schiffs schickten manchen in einen verdienten Nachmittagsschlummer.

Gemeinsam gedenken

Der letzte Tag vor der Abreise war – wie bei den freiwilligen Arbeitseinsätzen des Volksbundes in der Regel üblich – dem Gedenken gewidmet. Ohne Gäste, lokalen Würdeträger und Presse war die Gedenkfeier eine gemeinsame Veranstaltung im kleinen Kreis miteinander und füreinander. Dieses Zusammenkommen am Hochkreuz der Friedhofsanlage ist oft der gedankliche und emotionale Schlussstein der zurückliegenden Arbeit und so war es auch bei diesem letzten freiwilligen Arbeitseinsatz des Jahres: Eingerahmt von gemeinsam zusammengestellter Musik schilderten mehrere Teilnehmer ihre Eindrücke, die an vielen Stellen deutlich machten, warum die Arbeit für den Frieden auf den Gräbern von Kriegstoten heute nichts an Relevanz verloren hat.

Text: Jessica Purkhardt