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Gedenkspaziergang im Herzen Berlins

Volksbund-Führung erinnert an alle Opfergruppen der NS-Herrschaft

Der Volksbund auf neuen Wegen: Eine Route der Erinnerung verbindet in Zentrum Berlins das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im “Bendlerblock” in der Stauffenbergstraße. Fünf Stationen erinnern  an die verschiedenen Opfergruppen der nationalsozialistischen Herrschaft.
 

1.600 Meter lang ist dieser historisch wie architektonisch hochinteressante Gedenkspaziergang, den Martin Bayer, Landesgeschäftsführer des Volksbundes in Berlin, ausgearbeitet hat. Die Gäste seiner ersten Führung: Präsident Wolfgang Schneiderhan, Generalsekretär Dirk Backen, der Landesvorsitzende Berlin, Fritz Felgentreu, und Tore May vom Bundesvorstand. Sie gingen auf eine Spurensuche, die allen offensteht.

 

Denkmal für ermordeten Sinti und Roma Europas

Die Route beginnt im Tiergarten am Simsonweg – unweit von Reichstag und Brandenburger Tor. Durch ein kleines Tor betreten Besucher den mitten im quirligen Berlin gelegenen Bereich, der überraschend ruhig ist. Büsche und eine meterlange Stellwand, auf der der Massenmord an den Sinti und Roma dokumentiert ist, schirmen das Gelände gegen Lärm und Hektik ab. Ein kreisrundes Wasserbecken dominiert die Szenerie. Mit schwarzem Grund spiegelt es den Himmel und symbolisiert  „Millionen vergossener Tränen“, erläutert Martin Bayer.

1992 hatte der Bundestag zunächst beschlossen, ein Denkmal für die „ermordeten Zigeuner“ zu errichten. Dies sei nach Protesten und langen Diskussionen in „Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas“ umbenannt worden. Mehr als 500.000 hatten die Nationalsozialisten umgebracht, verrät eine Informationstafel.

Der israelische Künstler Dani Karavan, der das 2012 eingeweihte Denkmal gestaltet hat, setzte in das Wasserbecken eine dreieckige Stele, die symbolisch für den braunen Winkel steht, den Sinti und Roma in den Konzentrationslagern tragen mussten. „Auf dieser Stele liegen stets frische Blumen“, weiß Martin Bayer, „sie sind ein Symbol für Trauer, Erinnerung und das Leben.“
 

Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Bereits 1988 hatte die Publizistin Lea Rosh ein Denkmal für den Holocaust angeregt. Es folgten jahrelange Debatten um den richtigen Ort, die Art der Präsentation, die Frage, ob durch den Fokus auf die Vernichtung der Juden andere Opfergruppen marginalisiert würden. Schließlich entstand auf dem Gelände südlich des Brandenburger Tores, wo einst die Stadtvilla von Josef Goebbels stand, ein Feld mit 2.711 Beton-Stelen, die eine Höhe von null bis 4,70 Metern Höhe haben. Architekt Eisenman bezeichnete es als eine „Zone der Instabilität“, als „wogendes Weizenfeld“ und „bewegte Meeresoberfläche“.

Martin Bayer ist begeistert von der Architektur: Was zunächst geordnet und überschaubar wirke, werde schnell zum Irrgarten, der Ausweg scheine in unerreichbarer Ferne zu liegen: „Das Einzige, was man sieht, ist der Himmel, die Hoffnung.“

Auch im Vorstand des Volksbundes hatte es bis 1933 Mitglieder jüdischen Glaubens gegeben. Erst im Oktober 2021 hatte der Verein in Berlin einen Stolperstein für die Frauenrechtlerin Hermine Lesser verlegt. Sie war 1943 in Theresienstadt ermordet worden.

Denkmal für die Homosexuellen

Schräg gegenüber steht am Rand des Tiergartens ein dunkelgrauer, massiver Kubus. Das dänisch-norwegische Künstlerduo Michael Elmgreen und Ingar Dragset hatte den schiefen Betonquader konzipiert, nachdem Bundespräsident Richard von Weizsäcker erstmals in seiner Rede am 8. Mai 1985 das Schicksal der ermordeten Homosexuellen thematisiert, ihre Zahl auf rund 200.000 geschätzt hatte.

Im Inneren des Würfels laufen Filme, geschützt von einer massiven Scheibe. Leider sei dieses Denkmal immer wieder Ziel von Vandalismus, erklärt Martin Bayer. Deshalb müsse es bewacht werden, wie auch andere Gedenkorte dieses Rundganges.

Denkmal für die Opfer der „NS-'Euthanasie'-Morde“

Am Rande des Tiergartens hinter der Philharmonie, in der Tiergartenstraße 4, liegt der „Gedenkort für die Opfer der NS-'Euthanasie'-Morde“: Es ist der historische Ort, an dem unter dem Decknamen „T 4“ die Tötung zehntausender Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten geplant und befohlen wurde.

Die Architektin Ursula Wilms informiert auf langen Freiluft-Tafeln über das Morden, das schon 1939 einsetzte und auch nach dem „Euthanasiestopp“ 1941 fortgesetzt wurde. Aktuelle Zahlen sprechen von 300.000 Opfern im Zuge der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programme in ganz Europa.

Für den Gestaltungswettbewerb im Jahr 2011 entwarfen die Architektin sowie der Künstler Nikolaus Koliusis und der Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann eine blaue, 24 Meter lange, halbtransparente Glaswand mit einer Freiluftausstellung auf Pulten davor. Zum Mahnmal gehört auch eine anthrazitgraue Fläche mit Gedenktafel.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Am Ende des Erinnerungsrundganges steht der Besuch der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im „Bendlerblock“ auf dem Areal des Bundesministeriums der Verteidigung. Im Nationalsozialismus residierten in dem wuchtigen Gebäude in der damaligen Bendlerstraße 11-13 das Allgemeine Heeresamt und der Befehlshaber des Ersatzheeres im Oberkommando der Wehrmacht.

Es war das Zentrum des militärischen Widerstandes um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Generaloberst Ludwig Beck. Nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler wurden Stauffenberg und einige seiner Mitverschwörer hier im Innenhof noch in der Nacht erschossen.

Heute erinnert die Inschrift einer Tafel an sie: „Hier, im ehemaligen Oberkommando des Heeres, organisierten Deutsche den Versuch, am 20. Juli 1944 die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft zu stürzen. Dafür opferten sie ihr Leben“. Auf einer weiteren Gedenktafel ist zu lesen: „Hier starben für Deutschland am 20. Juli 1944 Generaloberst Ludwig Beck – General der Infanterie Friedrich Olbricht – Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg – Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim – Oberleutnant Werner von Haeften“.


„Ihr trugt die Schande nicht“

Schließlich erinnert noch eine Bronzefigur, die der Künstler Reinhard Scheibe schuf, an Stauffenberg. Sie zeigt einen jungen Mann mit gebundenen Händen. Eine Inschrift des Kunsthistorikers Edwin Redslob lautet: „Ihr trugt die Schande nicht, Ihr wehrtet Euch, Ihr gabt das große ewig wache Zeichen der Umkehr, opfernd Euer heißes Leben für Freiheit, Recht und Ehre“.

Auch wegen dieses historischen Ortes wurde 1993 entschieden, dass der „Bendlerblock“ (neben der Hardthöhe in Bonn) zweiter Dienstsitz des Bundesverteidigungsministeriums werden sollte. Heute sagt Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan, der als Generalinspekteur der Bundeswehr Deutschlands ranghöchster Soldat war, mit Blick auf Stauffenberg: „Ich wäre sicherlich nicht Offizier geworden, wenn nicht der Deutsche Widerstand in die offizielle Traditionslinie der Bundeswehr aufgenommen worden wäre.“ Für ihn war der Abschluss des Gedenkrundganges zugleich der Ort, der das Andenken an alle Opfer von Krieg und Gewalt in Berlins Mitte komplett macht.

Mehr Informationen: stiftung-denkmal.de/denkmaeler

Harald John Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit