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„Kriege werden gemacht“

150 Gäste bei der Eröffnung der neuen Volksbund-Ausstellung im Kulturbahnhof

Kassel, den 16.6. Die feierliche Eröffnung der Ausstellung zum hundertjährigen Bestehen des Volksbundes im Kulturbahnhof bildete den Auftakt zur „Woche der Begegnung".

Der Besuch einer historischen Ausstellung ist eine Zeitreise. Die Ausstellung zur Geschichte des Volksbundes führt zurück bis ins Jahr 1919. Vor 100 Jahren wurde der Volksbund gegründet. An diesem Sonntag kamen mehr als 150 Interessierte zum Auftakt der Begegnungswoche in den Kulturbahnhof. Dort läuft noch bis Sonntag die neue Wanderausstellung „Europa, der Krieg und ich“, die sich mit der Geschichte des Volksbundes kritisch auseinandersetzt – und zugleich in die Gegenwart und  Zukunft schaut.

Betritt man die Ausstellung, zu deren Eröffnung auch die Präsidentin der israelischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch erschienen ist, blickt man auf rote Stellwände, die den Raum gliedern. Dieses Rot symbolisiert nach dem Konzept von Kuratorin Corinna Kuhr-Korolev (Foto unten) die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, beginnend mit der Gründung, die im Zeichen des Endes des Ersten Weltkrieges stand.

 

Bereitwillige Anpassung an den Nationalsozialismus

Damals waren die Suche nach den unbekannten Gräbern der toten Soldaten, die Schaffung würdiger Friedhöfe und damit auch Orte für die Trauer der Angehörigen die Kernaufgaben des Volksbundes. Dann folgte eine Zeit, in der sich der Volksbund der nationalsozialistischen Ideologie nur allzu willig angepasst hatte. Auch darüber wird in der Ausstellung mit Fotos und Textbeiträgen berichtet. Präsident Wolfgang Schneiderhan sagte zur Eröffnung: „Dem Ersten Weltkrieg folgte der Zweite Weltkrieg, der noch viel grausamer war und noch viel mehr Menschen das Leben kostete.“

 

Versöhnung ist der erste Schritt zum Frieden

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Volksbund erneut vor einer großen Herausforderung. Diesmal ging es nicht nur um das Schicksal vieler Millionen deutscher Kriegstoter, sondern auch um den Wunsch nach Versöhnung. Dazu waren viele Länder bereit–nach dem Mauerfall 1989 auch die osteuropäischen Nachbarn.

Neben dem geschichtlichen und einheitlich in Rottönen gehaltenen Teil beschäftigt sich die Ausstellung aber auch mit gegenwärtigen sowie künftigen Aufgaben des Volksbundes, die auf einem blauen Hintergrund gezeigt werden. Heute erfährt der Volksbund neben der andauernden Suche nach Kriegstoten durch den Umbettungsdienst vor allem für seine internationale Jugend- und Bildungsarbeit viel Anerkennung. Zudem bemüht sich der Volksbund gerade in den vergangenen Jahren verstärkt um die Gemeinsamkeiten der internationalen Gedenkkultur im Sinne eines friedensorientierten gemeinsamen Gedenkens in Erinnerung an alle Opfer der Kriege.

 

Kriege werden gemacht

In diesem Sinne äußerte sich auch Volksbund-Präsident Schneiderhan (Foto oben, Uwe Zucchi), der davon sprach, dass Kriege nicht einfach so ausbrächen, sondern gemacht, also absichtsvoll vorangetrieben würden: „Die Anlage und Pflege von Kriegsgräberstätten, die Betreuung von Angehörigen – das sind wichtige Elemente unserer Tätigkeit, und sie werden es auch bleiben. Aber das Wollen und Wirken des Volksbundes erschöpft sich darin nicht. Wir haben zu viel Leid gesehen, um uns auf seine Bewältigung zu reduzieren. Kriege brechen nicht aus, sie werden gemacht. Sie können entstehen auf einer Basis von Feindbildern, Fremdenfeindlichkeit und autoritären Denkweisen. Wer diese Gemengelage verhindern will, muss dafür sorgen, dass die Menschen sich für Frieden und Demokratie engagieren.“

Daran müsse man die jüngeren Generationen immer wieder aufs Neue erinnern und ihnen zeigen, wie wichtig das friedliche Miteinander in Europa ist. Dies habe auch der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seinem Besuch der Kriegsgräberstätte in Sandweiler/Luxemburg wie auch später im Deutschen Bundestag mit den folgenden Worten eindrucksvoll deutlich gemacht: „Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen. Dort sieht man, wohin das Nichtverstehen in Europa führen kann.“

Charlotte Knobloch (Foto oben, Uwe Zucchi), die anschließend das Impulsreferat zur neuen Ausstellung vortrug, lobte zugleich ihren Vorredner und erntete dafür großen Applaus: „Mit Wolfgang Schneiderhan hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge einen der klügsten und fähigsten Köpfe unseres Landes an seiner Spitze. Und zweitens: Der Volksbund und seine Aufgabe sind heute, 100 Jahre nach seiner Gründung, so wichtig wie eh und je.“

Parallel zur Volksbund-Geschichte erinnerte sie an die zurückliegende Friedenszeit in Europa, die keineswegs selbstverständlich sei: „Es war und ist ein Friede, den wir – den ich – lange nicht für möglich gehalten, ja oft nicht einmal zu erhoffen gewagt hätten. Wer sich heute in Europa umsieht, der sieht vieles, nur keinen Krieg. Er sieht, wie aus alten Feinden längst Freunde und aus erbitterten Kriegsgegnern enge politische und wirtschaftliche Partner geworden sind.“

Vermächtnis für den Frieden

Dass dieser Weg des Volksbundes von großem Erfolg und viel Anerkennung geprägt sei, unterstrich auch die hessische Staatssekretärin sowie ehemalige Kasseler Jugend-Dezernentin Anne Janz (Foto unten, Uwe Zucchi) in Vertretung des Ministerpräsidenten Volker Bouffier: „Der Auftrag des Volksbundes, das Vermächtnis für den Frieden in Europa und die Würde der Menschen an die junge Generation weiterzugeben, ist heute aktueller denn je!“ 

Richtige Idee zur richtigen Zeit

Zugleich lobte Knobloch die in der Ausstellung gezeigte Aufarbeitung der eigenen Volksbund-Geschichte: „Die Aktionswoche unter dem Motto „Frieden braucht Mut“ ist für mich die richtige Idee zur richtigen Zeit. Es braucht heute Mut: Mut zur Erinnerung, Mut zum Frieden, Mut zur Demokratie. Gerade diesen letzten, historisch begründeten Punkt müssen wir alle uns im wahrsten Sinne des Wortes viel öfter vergegenwärtigen. Das sage ich auch und besonders vor dem Hintergrund meiner eigenen Geschichte. Europa, der Krieg und ich – das ist ein Blick auf meine Geschichte.“

Bei der anschießenden Pressekonferenz ergänzte Volksbund-Präsident Schneiderhan, dass das berühmte „Nie wieder Krieg!“ die richtige Konsequenz aus den Erfahrungen zweier Weltkriege sei – dieses Wort aber alleine nicht ausreiche, um den Frieden zu bewahren. Es müsse mit Leben gefüllt werden. Zusätzlich komme es darauf an, gerade den jüngeren Generationen zu verdeutlichen, dass man mittels Jugendbegegnungen oder dem internationalen Austausch entsprechende Prozesse einleiten muss, die letztlich zum Frieden führen. „Und genau das erfordert wirklichen Mut“, sagte Wolfgang Schneiderhan.

Die Wanderausstellung „Europa, der Krieg und ich“ ist noch vom 16.-23. Juni im Kulturbahnhof Kassel zu sehen. Auf eindrucksvolle Weise verdeutlicht sie, dass Frieden immer fragil ist und auch in Europa täglich aufs Neue erarbeitet werden muss. 

Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung durch Markus Doll (Gitarre) sowie Jan Schmelzer (Klavier) und Adele Laurich (Violine) vom Kasseler Jakob-Grimm-Gymnasium. Die beiden Jungmusiker sind übrigens gerade als hessischer Landessieger des Wettbewerbs „Jugend musiziert" gekürt worden.