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Stille Nacht, heilige Nacht 1944 in einer deutschen Kaserne

Weihnachten in schwerer Zeit: Marschbefehl drei Wochen vor den Festtagen

„Stille Nacht, heilige Nacht“ – dieses Weihnachtslied erklang vor 80 Jahren am Ufer der Wolga in Stalingrad ebenso wie in einer Kaserne im westfälischen Hameln. An unzähligen Orten der Welt rührte es Menschen zu Tränen, die einsam waren, Sehnsucht hatten, unter Verlust, Angst und Not litten. Walter Brockmann, damals 19 Jahre alt, schildert das schlicht und doch eindrucksvoll. Seine Geschichte steht im neuen Weihnachtsbuch des Volksbundes „Licht in der Dunkelheit”. 


Für die Menschen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und für vie­le noch Jahre danach war die Botschaft „Friede auf Erden“ weit entfernt. Aber auch die Soldaten an der Front, die Gefangenen in den Lagern, die Menschen in zerbombten Städten und auf der Flucht, die Vertriebenen, Leidenden und Hungernden bewahr­ten in ihren Herzen den Wunsch nach dem Weihnachtsfrieden.

Sie versuchten, mit bescheidenen Mitteln die Traditionen zu be­wahren. Ein Zweig als Weihnachtsbaum, ein abgebrannter Kerzen­stumpen als Licht des Friedens, bescheidene Gaben als Geschenke.
 

Am Bahnhof einer fremden Stadt

Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Doch die Kriegsweih­nacht 1944, die ich als 19­jähriger Soldat erlebte, wird mir immer in Erinnerung bleiben – als ein im Unterschied zu vielen Men­schen damals für mich recht friedliches und auch fröhliches Fest in der Kaserne einer deutschen Stadt.

Nach Verwundung und Lazarettaufenthalt erhielt ich etwa drei Wochen vor Weihnachten den Marschbefehl zum Ersatztrup­penteil, dem Grenadierersatzbataillon 348 in Hameln. Mit einem Holzkoffer ausgerüstet, traf ich bei eintretender Dunkelheit am Bahnhof der mir fremden Stadt ein.
 

Umweg für den Unbekannten

Ich fragte eine Frau nach dem Weg zur Kaserne. Sie führte einen Handwagen mit, in welchem sich ein Kind befand. Die Frau sah meine Behinderung, packte den Koffer auf den Handwagen und begleitete mich durch die verdunkelte Stadt zur Linsingen­-Ka­serne. Mit ihrer Hilfsbereitschaft nahm sie einen Umweg in Kauf.

Dann kam der Heilige Abend. Manche Kameraden suchten Nähe in Familien, mit denen sie Bekanntschaft geschlossen hatten. Man wollte an diesem Abend nicht allein sein. Am Nachmittag versammelten wir uns im Speisesaal. Ein Weihnachtsbaum spen­dete mit seinem Kerzenschein eine weihnachtliche Atmosphäre.
 

Kaffee und Gebäck zur Ansprache

Der Bataillonskommandeur, ein Major, betrat den Saal. Er nahm an der Stirnseite Platz; zu seiner Rechten der vor wenigen Tagen eingetroffene Ritterkreuzträger, ein Oberfeldwebel. Der Major forderte auf, an den gedeckten Tischen Platz zu nehmen, und be­gann mit seiner Ansprache. Dabei vermied er es, auf die christ­liche Bedeutung von Weihnachten einzugehen. Dann gab es Kaf­fee, der mit kleinen Zugaben der Küche ein wenig aromatischer schmeckte, dazu Gebäck.

Zum Abschluss sollte ein Weihnachtslied gesungen werden. Die Nationalsozialisten hatten Weihnachten politisch instrumenta­lisiert, unter anderem Weihnachtslieder umgedeutet auf Son­nenwende.
 

Erst „Hohe Nacht“, dann „Heilige Nacht”

Ein Lied fand in der Bevölkerung einigen Anklang und wurde mit der stimmungsvollen Melodie gesungen. Auch jetzt sangen wir Soldaten, soweit wir den Text kannten: „Hohe Nacht der klaren Sterne, / die wie weite Brücken stehen, / über einer tiefen Feme, / drüber unsere Herzen gehen. / Hohe Nacht mit großen Feuern, / die auf allen Bergen sind, / heut' muss sich die Erd' erneuern, / wie ein junggeboren Kind.“
 
Dem Major missfiel dies offensichtlich und er sagte: „Jetzt wollen wir aber das alte deutsche Weihnachtslied ‚Stille Nacht, Heilige Nacht‘ singen.“ Den Text kannte jeder und alle stimmten kräftig ein in die Strophen, die von der Heiligen Nacht künden.


Für jeden ein kleines Geschenk

Manche Soldaten konnten die Tränen nicht verbergen. Sie waren von Heimweh geplagt und mit den Gedanken bei den Familien daheim. Jeder erhielt ein kleines Geschenk – ich ein Büchlein mit der Lebensgeschichte des Landsknechtsführers Franz von Sickingen.

Text: Walter Brockmann
 

Um das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ geht es auch in einer weiteren Geschichte ("Stille Nacht" bricht den Bann) sowie in einer Sonderausgabe der FRIEDEN: „Stille Nacht an der Wolga”. Sie wird ab 16. Dezember 2022 verschickt.
 

Das Weihnachtsbuch

32 Geschichten und Gedichte vereint das neue Buch in der Volksbund-Reihe. Mitglieder und Förderer haben sie uns zugeschickt – dafür danken wir sehr. Zu beziehen ist der Band mit 128 Seiten kostenfrei über die Mediathek und per E-Mail.

Vier Beispiele veröffentlichen wir online bis Heilig Abend. Die erste trägt den Titel „Das Herdfeuer als Adventslicht”, die zweite „Angst und Freude am Nikolaustag 1944”.

Wenn auch Sie noch eine Geschichte zu erzählen haben oder ein Dokument aus dieser Zeit besitzen, in dem Weihnachten ein Thema ist, freuen wir uns über Ihre Zuschrift per E-Mail oder per Post an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, FRIEDEN-Redaktion, Sonnenallee 1 in 34266 Niestetal.

 

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