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Ukrainische Erinnerung bewahren

Projekt der „Arolsen Archives“: Volksbund unterstützt #everynamecounts – Beitragen zum digitalen Gedächtnis

Dokumente zu Millionen von Opfern des Nationalsozialismus digitalisieren? Die „Arolsen Archives“ in Bad Arolsen holen für dieses Mammut-Projekt Freiwillige in aller Welt ins Boot: Auf der Crowdsourcing-Plattform #everynamecounts kann sich jeder und jede beteiligen. Seit kurzem sind dort auch Quellen zu Kriegsgefangenen aus der Ukraine eingestellt. Warum der Volksbund die Aktion unterstützt, erklärt Dr. Heike Winkel:
 

Die personenbezogenen Informationen aus diesen Dokumenten zu erfassen, heißt: am digitalen Gedächtnis des Zweiten Weltkrieges mitschreiben, Kulturgut erschließen und historische Fakten vermitteln. Dabei wird der völkerrechtswidrige Umgang der Wehrmacht mit den sowjetischen Armeeangehörigen deutlich.
 

In der Heimat stigmatisiert

Insgesamt gerieten bis zu 5,7 Millionen von ihnen in deutsche Gefangenschaft, mehr als drei Millionen kamen durch die unmenschlichen Bedingungen von Lagerhaft und Zwangsarbeit um oder wurden ermordet. Die meisten der Überlebenden waren lebenslang traumatisiert. Zurückgekehrt in ihre Heimat, wurden sie stigmatisiert.

Die Identitäten der Menschen und ihre Wege durch unterschiedliche Lager und Arbeitskommandos lassen sich aus den Dokumenten der Wehrmacht rekonstruieren. Sie hätten gemäß der Statuten des Völkerrechts an die Sowjetunion übergeben werden müssen. Das hatten die Nationalsozialisten jedoch verweigert. Nach Kriegsende beschlagnahmten die Alliierten die Unterlagen und übergaben sie an die Sowjetunion.
 

Archivgut in der Ukraine gefährdet

Dort wurden die Dokumente genutzt, um zurückgekehrte ehemalige Gefangene, die grundsätzlich unter dem Verdacht der Kollaboration standen, zu überprüfen. Die Personalakten zu diesen Prüfverfahren landeten in Archiven vor Ort. In der Ukraine ist das Archivgut nun durch das Kriegsgeschehen akut gefährdet. In Tschernihiw zum Beispiel wurden kürzlich in Folge eines Bombenangriffs Bestände des örtlichen Geheimdienstarchivs zerstört.

Die „Arolsen Archives“ verfügen über die weltweit größte Sammlung von Dokumenten zu den Opfern des NS-Regimes. Glücklicherweise haben sie bereits in den 1990er Jahren Millionen digitaler Kopien von Personalakten aus ukrainischen Archiven erhalten. Dazu gehören auch Personalkarten, die die Wehrmacht bei der Registrierung für jeden Gefangenen anlegte.
 

Beitrag gegen verzerrte Darstellung

Mehr als 1.000 solcher Personalkarten von Kriegsgefangenen aus der Ukraine werden nun im Rahmen des Projekts #everynamecounts bearbeitet. Das ist auch ein Beitrag zur Aufklärung angesichts der fatalen Verzerrungen der historischen Tatsachen durch die russische Propaganda im aktuellen Krieg.

Die grundlose Behauptung, die Ukraine sei ein Land voller Faschisten, leitet sich auch aus einem historischen Stereotyp ab. Es besagt, dass Ukrainerinnen und Ukrainer massenhaft mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hätten.
 

Alle galten als Verräter

Archivdokumente zu den Prüfverfahren, die es in allen Sowjetrepubliken gab, zeigen hingegen eindeutig: Den sowjetischen Behörden galten ausnahmslos alle Personen, die die nationalsozialistische Gefangenschaft überlegt hatten, als potentielle Verräter.

Und tatsächlich hat es Kollaboration gegeben. Die Gründe dafür, warum Gefangene, gezwungenermaßen oder auch freiwillig mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiteten, waren vielfältig. Kollaboration gab es überall unter deutscher Besatzungsherrschaft und sie war kein spezifisch ukrainisches Phänomen.

Die Angehörigen der multi-ethnischen Roten Armee waren gemeinsam die Befreier vom Nationalsozialismus. Wer in Gefangenschaft geriet, hat dafür einen hohen Preis gezahlt – vielfach bis hin zum Tod. Der Volksbund macht auf das Projekt #everynamecounts aufmerksam und ruft dazu auf, sich zu beteiligen, um ukrainische Erinnerung zu bewahren.

Text: Heike Winkel
Kontakt


„Arolsen Archives“ wichtiger Partner 

Der Volksbund ist Träger des Projekts „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte“ – beauftragt von der Bundesregierung. Dr. Heikel Winkel koordiniert es auf deutscher Seite. Dabei werden Archivdokumente zu sowjetischen Gefangenen erschlossen, um die Erinnerung an ihre Biographien wach zu halten. Die „Arolsen Archives“ mit ihren wertvollen Beständen sind ein wichtiger Kooperationspartner.

Mehr zum Kriegsgefangenenprojekt:
„Kriegsgefangene: Namen ermitteln, Schicksale klären” (Artikel vom 6. Mai 2020)