Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Grave search Become a member Donate online Donate

Ausstellung in Karlsruhe eröffnet: „Der Tod im Winterberg-Tunnel“

Tragödie des Ersten Weltkrieges im Generallandesarchiv zweisprachig dargestellt

Die neue Ausstellung „Der Tod im Winterberg-Tunnel. Eine Tragödie im Ersten Weltkrieg“ zeichnet das Schicksal von etwa 100 bis 150 deutschen Soldaten nach. Sie wurden 1917 bei einer Schlacht im Norden Frankreichs in einem Schutzstollen verschüttet und lebendig begraben. Nach dem Start in Karlsruhe wird die Ausstellung an mehreren Standorten in Deutschland, Belgien und Frankreich zu sehen sein.
 

Der geborstene, rostige Soldatenhelm lässt ahnen, was seinem Träger widerfuhr. Er steht symbolisch für das Leid des Krieges. Die Gestalter haben diesen Helm als Leitmotiv, als prägendes  Gestaltungselement gewählt. „Der Tod im Winterbergtunnel. Eine Tragödie im Ersten Weltkrieg“ rückt Menschen in den Blickpunkt. Nicht diejenigen, die Geschichte geschrieben, sondern die, die sie erlitten haben. Die zweisprachige Wanderausstellung, die der Volksbund mit gefördert hat, „soll zu den Menschen kommen,“ erklärt Kurator Dr. Rainer Brüning.

Die Männer, deren Leben, Leid und Sterben hier skizziert werden, fanden vor 105 Jahren den Tod.  Warum jetzt eine Ausstellung über die Toten eines lang zurückliegenden Krieges, wo wir in Europa wieder Krieg haben? Auch zu dieser Frage gibt die Ausstellung eine Antwort.
 

Flucht in die Falle

Was geschah am 4. Mai 1917? Vom 16. April an wurden die deutschen Stellungen am Chemin des dames, dem „Damenweg“, von den französischen Streitkräften mit schwerer Artillerie beschossen. Eine Artilleriegranate traf den Eingang des von den Deutschen so genannten Winterbergtunnels. Die dort gelagerte Munition explodierte, Leuchtspurmunition entwickelte giftige Dämpfe und Gase. Einige Soldaten flüchteten aus den Notausgängen direkt ins feindliche Artilleriefeuer, viele Soldaten flohen jedoch ins Innere des Stollens.

Dort errichteten sie – teilweise mit Kleidern, Sandsäcken und Zelten – eine Barrikade, um sich vor den giftigen Gasen zu schützen. Sie hofften auf Hilfe von außen. Vergebens. Der schwere Beschuss ließ offenbar keine Rettungsversuche zu. Ein Luftschacht, durch den sie hätten fliehen können, war eingestürzt.


„Ihr wisst wohl, dass Krieg ist …”

In den nächsten Stunden und Tagen warteten die Soldaten in Dunkelheit und Hitze, verdursteten oder erstickten. Manche, die noch die Kraft dazu hatten, erschossen sich. Um 12.30 Uhr an diesem 4. Mai meldete Major Schüler an die 56. Brigade, dass der Tunnel schwer getroffen und der Großteil der Mannschaft verloren sei. 

Zwei Berichte von Überlebenden beschreiben die Situation der Soldaten. Ein Bericht stammt von Karl-Leopold Feßer aus Ringsheim, ein anderer von August Berthold Kreiner aus Jöhlingen. Er hatte sich aus dem Tunnel retten können und schrieb wenige Tage später aus dem Lazarett an seine Frau Melanie:  „Liebe Melanie, Ihr wisst wohl, dass Krieg ist, aber was Krieg heißt, auf Leben und Tod, da habt Ihr keine Ahnung …“

Dieser Brief wurde dem Generallandesarchiv 2021 von Kreiners Enkel zur Verfügung gestellt. Seine und Feßers Erinnerungen können in der Ausstellung nachgelesen werden, ebenso der Meldezettel von Major Schüler.
 

Fundstücke vom Eingang des Tunnels

Die verschiedenen Stationen der dreidimensional anmutenden Ausstellung sind Tunneleingängen nachempfunden. Sie informieren über die Arbeit des Landesarchivs, geben eine Einführung in die Geschichte des Ersten Weltkrieges, aber in erster Linie erzählen sie von den Soldaten des badischen Reserve-Infanterieregiments 111.

Besonders anschaulich machen dies die Fundstücke, die am Tunneleingang im April 2021 entdeckt wurden. Ein Bajonett, der beschriebene Helm und der Mantel, dessen einstiger Träger namentlich bekannt ist: Jakob Knöpfle, Unteroffizier aus Riedböhringen. Er war einen Tag zuvor am Tunneleingang gestorben. In den Taschen des Mantels lagen Schulterklappen des Infanterieregiments 114, dem er zuvor angehörte.
 

Umfangreiches Begleitmaterial

Die Forscherinnen und Forscher des Generallandesarchivs haben noch mehr zusammengestellt: Neben der Ausstellung wird pädagogisches Begleitmaterial angeboten. Eine Datenbank stellt 320 Biogramme von Soldaten vor, die in die Ereignisse am 4. Mai verwickelt waren.

Der Präsident des Landesarchivs, Prof. Dr. Gerald Maier, wünschte der Ausstellung eine ähnlich große Aufmerksamkeit wie die preisgekrönte Wanderausstellung „Menschen im Krieg 1914-1918 am Oberrhein“. Über 70.000 Menschen haben diese Ausstellung besucht.  
 

„Kriege wüten weiter in den Seelen“

Mutherem Aras, Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg, betonte, dass es auch 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wichtig sei, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Denn Kriege enden nicht mit dem Waffenstillstand, sondern „wüten weiter in den Gesellschaften und Seelen der Menschen.“ Ein gemeinsames Gedächtnis sei ein Fundament des gemeinsamen Hauses Europa. Aras dankte auch dem Volksbund für seine Arbeit, ganz besonders für die Klärung von Kriegsschicksalen.

Dr. Franck Viltart, Chef du service du Chemin des Dames, lobte die gute deutsch-französische Zusammenarbeit – gerade auch bei diesem nicht ganz einfachen Projekt. In dem Museum „Caverne du Dragon“ (deutsch: Drachenhöhle) am Chemin des Dames wird die Ausstellung ab Januar 2023 zu sehen sein.
 

Weg zur Versöhnung beginnt an Gräbern

Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes, ordnete die Suche nach den Toten des Winterbergtunnels in die erinnerungskulturelle Arbeit ein:  „Über die Grabungen hat die Presse – vor allem in Frankreich – umfangreich berichtet. Doch aus Sicht des Volksbundes ist die Aufarbeitung der Schicksale der verschütteten Soldaten – die dank dieser Ausstellung ihre Geschichte  und ihre Namen wiederbekommen – viel wichtiger“, sagte er. 

Diese Ausstellung erinnere eindringlich an den langen Weg von der Erbfeindschaft zur deutsch-französischen Freundschaft. „Frieden und Versöhnung sind nicht selbstverständlich. Beides braucht Mut. Der Krieg in der Ukraine ist eine Mahnung”, so der Volksbund-Präsident. „Wie dort der Weg der Versöhnung aussehen könnte (…) weiß ich nicht. Aber das weiß ich: Jeder Weg zu einem Frieden in der Zukunft beginnt auf einer Kriegsgräberstätte.“

Die Ausstellung im Generallandesarchiv in Karlsruhe ist bis zum 14. August zu sehen und „wandert“ dann weiter nach Konstanz, Brüssel, in das „Historial“ auf dem Hartmannsweiler Kopf und in die „Caverne du Dragon“ am Chemin des Dames. Auch ein virtueller Rundegang ist möglich.

Ein Interview mit dem Kurator Rainer Brüning finden Sie hier:
Ausstellung 'gute und wichtige Botschaft für Gegenwart und Zukunft'“
 

Tunnel Anfang Mai 2022 gefunden

Der Volksbund hatte den Tunnel in Zusammenarbeit mit seinen französischen Partnern und mit Spezialisten nach langer Suche und mehrfachen Anläufen gefunden. Mehr lesen Sie hier:
„Experten orten den Winterbergtunnel”
„Munitionfund stoppt Winterberg-Sondierung“