Für höchst eindrucksvolle Worte und Bilder sorgten Mitglieder des Jugendarbeitskreises Berlin zusammen mit dem Volksbund-Landesverband für die Veranstaltung in Plötzensee. (© Simone Schmid)
Aufruf zu Verantwortung und Zivilcourage: „Wachsam sein ist nötig!“
Erinnern zum Volkstrauertag auf der Gedenkstätte Plötzensee und an weiteren Orten
Der Volksbund gedenkt zum Volkstrauertag aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Sichtbare Zeichen finden sich an den unterschiedlichsten Orten in Berlin – etwa in der Gedenkstätte Plötzensee, auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee, an der Botschaft der Ukraine und auf dem Commonwealth-Friedhof in der Heerstraße.
Plötzensee steht für Ungerechtigkeit, Willkürherrschaft und Mord, für Diktatur und Terror der Nationalsozialisten. An diesem düsteren Ort – einst Gefängnis und Hinrichtungsstätte, heute Gedenkstätte – veranstaltet der Landesverband Berlin zusammen mit dem seinem Jugendarbeitskreis (JAK) die jährliche Gedenkveranstaltung am Vortag des Volkstrauertages.
Persönlicher Blick auf früher und heute
Das Besondere: Jugendliche aus dem JAK planen und gestalten das Programm, prägen es mit ihrem Blick auf Geschichte und Gegenwart. Neben dem Erinnern an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft thematisieren die jungen Leute das Hier und Jetzt. Sie benennen ihre Hilflosigkeit angesichts des Krieges in der Ukraine und des Terrorangriffes der Hamas. Sie sorgen sich um den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland. Sie appellieren für Wachsamkeit und Engagement.
Es sei schwer nachvollziehbar, so Annika Lang, dass vor dem Hintergrund einer solchen gesellschaftspolitischen Herausforderung die Gelder für Jugendarbeit und außerschulische Bildungsprojekte gestrichen werden sollen. „Gedenken braucht Wissen“, zitiert sie das Motto der Gedenkstätte Buchenwald.
„Blume“ auf Hebräisch und Deutsch
Ergriffenes Schweigen herrscht, als Schülerinnen des Berliner Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums das Gedicht „Blume“ von Yehuda Poliker vortragen. Zwei Mädchen lesen es auf Hebräisch und Deutsch. Auch das Totengedenken ist zweisprachig – auf Deutsch und Englisch.
Nach einer Schweigeminute und den Kranzniederlegungen ist Zeit für individuelles Gedenken: Wer möchte kann eine Blume niederlegen und vor den Kränzen verweilen. Die Verantwortung allerdings nimmt jede und jeder mit sich nach Hause.
Ukrainische Botschaft und Ehrenmal
Die ukrainische Botschaft war am Samstag morgen das erste Ziel einer kleinen Volksbund-Delegation gewesen. Präsident Wolfgang Schneiderhan hatte gemeinsam mit der ukrainischen Botschaftsrätin Oksana Dubovenko ein Gesteck vor der Botschaft niedergelegt. „Wir würden gerne mehr tun, wenn wir könnten”, versicherte Generalsekretär Dirk Backen. Die Botschaftsrätin dankte ausdrücklich für die Unterstützung des Volksbundes und diese Geste.
An die Soldaten der Roten Armee, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind, erinnerte die Volksbund-Delegation anschließend am Sowjetischen Ehrenmal in der Schönholzer Heide – gemeinsam mit einer Abordnung des Bezirksamts Pankow. Mit dabei war auch Detlef Fritzsch vom Volksbund-Bundesvorstand.
Bei einer Gedenkstunde des Commonwealth auf dem War Cemetery in der Heerstraße am 12. November hatte Dr. Dirk Reitz den Volksbund als Geschäftsführer des Landesverbandes Sachsen vertreten.
Auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee
Traditionell steht der frühe Morgen des Volkstrauertages im Zeichen jüdischen Gedenkens. Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Militär kommen auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee zusammen, um an jene Soldaten jüdischen Glaubens zu erinnern, die im Ersten Weltkrieg für Deutschland ihr Leben gegeben haben. Für den Volksbund nimmt Präsident Wolfgang Schneiderhan an dieser Gedenkveranstaltung teil.
Im Dauerregen gedachte Verteidigungsminister Boris Pistorius mit Berliner Landespolitikern und Vertretern der jüdischen Gemeinden der Kriegstoten. In seiner Begrüßungsrede stellte Brigadegeneral Jürgen Karl Uchtmann die Lebensläufe von drei Soldaten vor – stellvertretend für die vielen Schicksale, die mit diesem Friedhof verbunden sind.
„Irritiert und entsetzt“
Von einem Volkstrauertag in „bitterer Zeit“ sprach der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in seiner Gedenkrede. Er bezog sich dabei nicht nur auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine und die Morde der Hamas in Israel. Sein Blick ging auch ins Inland: „Irritiert und entsetzt“ sei er über den intensiver und lauter werdenden Antisemitismus in Deutschland, der nicht nur eingewandert sei.
„Der Volkstrauertag sei kein Heldengedenktag, sondern diene der Erinnerung an die Opfer von Unfreiheit und Gewalt”, so Wolfgang Thierse weiter. Das gehöre zum grundlegenden Verständnis der Bundeswehr als einer Armee, die für Freiheit, Frieden und Solidarität stehe.
Solidarität als Schlüsselwort
Solidarität war abschließend auch das Schlüsselwort der Beschreibung des deutsch-israelischen Verhältnisses. Deutschland habe eine besondere Verpflichtung, die sich in Respekt, Mitgefühl, Schutz und Verbundenheit zeigen müsse, sagte Thierse.
Für dieses besondere deutsch-jüdische Verhältnis steht auch Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan, dem das Gedenken an die deutschen Soldaten jüdischen Glaubens stets ein besonderes Anliegen ist: „Sie wollten ihrem Vaterland einen Dienst erweisen und dadurch Anerkennung finden. Am Ende aber wurden sie zu Sündenböcken abgestempelt.“