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Auftakt zum Gedenken am 8. Mai in Berlin

Erinnern mit Rundgang auf dem Friedhof Lilienthalstraße, Lesung mit Per Leo, Führung und Diskussion zu Widerstandskämpfern

Der Volksbund hat die Gedenkwoche zum Kriegsende am 8. Mai auch in Berlin mit mehreren würdigen Veranstaltungen eröffnet. Jugendliche trafen sich gestern zu einem Gedenkgang in Moabit auf den Spuren des Widerstands gegen Hitler und diskutierten in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Auf dem Standortfriedhof Lilienthalstraße gedachte am 6. Mai Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan der Opfer von Krieg und Gewalt und in der Kapelle der Gedächtniskirche las der Historiker Per Leo.
 

Per Leo machte seine Einschätzung von Gedenktagen deutlich: „Ich habe nichts gegen Gedenktage, nur gegen gedankenlose Reden.“ Diese Gefahr dürfte bei den zahlreichen Veranstaltungen rund um den 8. Mai in Berlin in diesem Jahr nicht bestehen: Oftmals wird es in dieser besonderen Situation mit Blick auf den Krieg in der Ukraine nur ein stilles Gedenken geben.

So auf dem ehemaligen Standortfriedhof Lilienthalstraße, wo Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan gemeinsam mit Dr. Fritz Felgentreu, Landesvorsitzender Berlin, und dessen Kollegen Dr. Michael Krapp aus Thüringen an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnerte. „Hier liegt eine Kleinstadt begraben“, sagte Martin Bayer, Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Berlin.
 

Kriegsgräber in der Lilienthalstraße 

Bildungsreferentin Anne-Susann Schanner erinnerte daran, dass der „Neue Standortfriedhof Lilienthalstraße” in Berlin-Neukölln von 1938 bis 1940 für gefallene Soldaten der Wehrmacht angelegt worden war. Heute ruhen hier zwischen 6.200 und 6.400 Tote des Zweiten Weltkrieges, davon 4.935 ein Einzelgräbern. Unter ihnen sind Frauen und Kinder ebenso wie alte Volkssturmmänner und Hitlerjungen.

„Hier liegt eine Kleinstadt begraben“

Martin Bayer, Geschäftsführer des Landesverbandes Berlin, zum ehemaligen Standortfriedhof

Lesung: „Tränen ohne Trauer“

In seinem heftig diskutierten Buch kritisiert der promovierte Historiker und Buchautor Per Leo die erstarrten Rituale deutscher Erinnerungskultur. „Dieses Buch lässt sich nicht auf eine Botschaft reduzieren. Es ist wie ein Kaleidoskop, dessen Bilder sich verändern, wenn man daran dreht“,  sagte Birgit Kröner, Vize-Vorsitzende des Berliner Volksbundes, am Abend des 6. Mai in der Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Die deutsche Erinnerungskultur könne angesichts des Krieges in der Ukraine nicht unverändert so fortgeführt werden, sagte Per Leo. Das „Nie wieder” sei Makulatur. Zur deutschen Geschichte, gerade auch zum Holocaust, müsse weiter geforscht werden.
 

Beispiel: Brandts Kniefall in Warschau

Ein Beispiel sei der berühmte Kniefall von Willi Brandt in Warschau. Dieses Bild sei in jedem deutschen Geschichtsbuch zu sehen. In Polen dagegen seien die Menschen von dieser Geste relativ unbeeindruckt geblieben. Man müsse aufpassen, so Per Leo weiter, denn manche Bilder der Geschichte seien schließlich nur noch Postkartenmotive.

"Haben Gedenktage einen Sinn?“ Diese Frage in der Diskussion beantwortete Per Leo positiv. Doch das Gedenken, die Auseinandersetzung mit Geschichte, müsse im Alltag beginnen.

Text: Diane Tempel-Bornett

Haushofer: Geograph im Widerstand

Für diese Auseinandersetzung mit dem Gedenken hätte Schriftsteller Per Leo heute ein gutes Beispiel gefunden: Mehr als 20 Jugendliche, viele von ihnen ehrenamtlich in Jugendarbeitskreisen des Volksbundes aktiv, trafen sich in Moabit zum Gedenkgang.

Die Historikerin Dr. Anna Opel erläuterte im Geschichtspark Zellengefängnis Moabit – einen Steinwurf vom Berliner Hauptbahnhof entfernt – die komplizierte Biographie von Albrecht Haushofer. Der Geograph, Hochschullehrer und Schriftsteller war in den letzten Tages des Zweiten Weltkrieges als Mitglied des konservativen Widerstands erschossen worden.
 

„Operation Gewitter“

Im Zuge der „Operation Gewitter“ hatte die Gestapo die Verhaftung Tausender Menschen noch wenige Monate vor Kriegsende angeordnet. So sollte der Aufbau eines demokratischen Nachkriegsdeutschlands nach dem Sturz der NS-Diktatur verhindert werden. Haushofers Vater Karl war enger Freund von Rudolph Hess, Hitlers Stellvertreter.

Berühmt ist Haushofer für seine Sonette. Die Zeile „Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt, ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern“ ist auf der alten Gefängnismauer in Moabit zu lesen. Von dort ging es für die Gruppe weiter zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand, wo Prof. Dr. Johannes Tuchel fachkundig und spannend über den deutschen Widerstand referierte.

Mehr zur Haushofer-Biographie lesen Sie hier:
Gedenkgang in Berlin: Wer war Albrecht Haushofer?“

Einbettung in Halbe

Am 5. Mai waren – 77 Jahre nach Kriegsende – 93 Gefallene des Zweiten Weltkrieges auf dem Waldfriedhof in Halbe bestattet worden. Dabei hatte Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan auf den besonderen Charakter des Gedenkens in Zeiten des russischen Angriffskrieges hingewiesen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag zur Einbettung.

Im Rahmen der Gedenkwoche werden Schneiderhan und Volksbund-Generalsekretär Dirk Backen an diesem Wochenende an zahlreichen Orten in Berlin – auch an der Botschaft der Ukraine, der Neuen Wache und vor der Französischen Botschaft – der Toten des Krieges und der Befreiung der Stadt und des Landes vom Nationalsozialismus vor 77 Jahren gedenken.
 

Termine im Gedenkportal

Weitere Veranstaltungen zum 8. Mai in Berlin und an anderen Orten sind im Gedenkportal angekündigt.

Harald John Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit