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Ein Tag des Friedens und Gedenkens

Volkstrauertag im Wandel – Interview mit Roland Behrmann vom Landesverband Niedersachsen

Im Gleichschritt geht’s mit Trommelschlägen zum Ehrenmal. Kränze sind vorbereitet, der Posaunenchor wartet, bis die Fahnenträger der Vereine, die Honoratioren und der Spielmannszug versammelt sind. Sonst ist kaum jemand dabei. Das Ritual ist Jahrzehnte alt. – Vielerorts ist das noch so am Volkstrauertag, an manchen Orten ist es längst anders. Was braucht es, um diesen Tag zukunftsfähig zu machen? Darüber sprachen wir mit Roland Behrmann, dem Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Niedersachsen.


Herr Behrmann, was hat Sie persönlich veranlasst, nach neuen Wegen für den Volkstrauertag zu suchen?

Das war eine Veranstaltung vor einigen Jahren in Nienburg an der Weser mit sehr vielen Leuten – die meisten waren Beteiligte, nur wenige Menschen aus der Bevölkerung. Und mit eindeutigem Fokus auf dem Gefallenen-Gedenken am Schluss. Ich habe anschließend nachgefragt: beim Oberst der Bundeswehr, beim Landrat, beim Pastor. Alle drei waren mit Gestaltung und Gewichtung nicht glücklich, wollten aber niemanden verärgern. Dabei gab es gar keinen Dissens – auch nicht über das Gefallenen-Gedenken. Bundeswehr und Reservisten müssen einen ordentlichen Auftritt haben – dagegen hatte auch niemand etwas.


Welche Schlüsse hat der Landesverband Niedersachsen daraus gezogen?

Wir haben eine Diskussion über das Verständnis des Volkstrauertages angestoßen. Wir haben uns mit anfänglich zwölf Partner-Organisationen aus Niedersachsen ausgetauscht und Texte für die Handreichung 2018 erarbeitet. Die haben wir an alle niedersächsischen Volksbund-Partner geschickt – mit der Bitte um Stellungnahme. Und darum war schließlich die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste genauso mit im Boot wie der Städtetag oder die Bundeswehr, der Landtag genauso wie der Landesfeuerwehrverband.

Zum Gesamtpaket gehörten schließlich auch eine Radio-Sendung, die wir in rund 15 lokalen Sendern untergebracht haben, eine Umfrage, die wir über Facebook beworben hatten, und die Broschüre, die für uns jetzt Grundsatz-Charakter hat. Entstanden ist sie aus dem Wunsch, den Volkstrauertag als einen Tag des Friedens und Gedenkens zu erneuern.

Auf dieser Basis geben wir jetzt jedes Jahr eine eigene Handreichung als Empfehlung weiter an die Kommunen, die vor Ort für die Gestaltung des Volkstrauertages zuständig sind. Eine Sammlung mit Texten, Liedern, Gedichten und mehr. Wir sagen ihnen vor allem: „Wenn Ihr vor Ort etwas machen wollt, sprecht miteinander, bezieht Euch aufeinander!“ Denn Gedenken kann nicht „von oben“ verordnet werden, sondern muss sich aus der Mitte der Städte und Gemeinden entwickeln.

Was ist Ihr wichtigstes Ziel bei diesen Bemühungen?

Ich wünsche mir, dass wir noch mehr Menschen erreichen. Ein Beispiel: In Königslutter bei Braunschweig gibt es ein besinnliches Chorkonzert am Samstag vor dem Volkstrauertag. Da zahlen in coronafreien Zeiten 600 Leute bis zu 20 Euro pro Eintrittskarte. Musik mit hohem Anspruch mit Elementen des Volkstrauertages kombiniert. Der Bürgermeister begrüßt im Namen des Volksbundes. Konfirmanden und Schüler sind mit Begeisterung dabei. Zwei, zweieinhalb Stunden in ruhiger Atmosphäre – das ist ein echter Einstieg in die Weihnachtszeit.

Bei diesem Beispiel ist die Kirche ein wichtiger Volksbund-Partner. Sie hat mit den Organisten ausgebildete Musiker. Sie hat mit den Geistlichen rhetorisch geschulte Redner. Und sie hat auch die Infrastruktur bis hin zum Kartenverkauf. Konzerte dieser Art sind ein Ansatz, von dem beide Seiten profitieren. Sie sind ein gutes Beispiel für fruchtbare Partnerschaft im Rahmen des Volkstrauertages.


Muss oder sollte sich der Volksbund stärker vernetzen?

Das denke ich schon. Der Volksbund wird oft als Monolith wahrgenommen. Wir müssen fragen: „Woran haben unsere Partner Interesse?“ Und wie schaffen wir es, dass junge Leute sich fragen: „An welcher Stelle können wir uns einbringen?“ Und dann müssen wir dafür sorgen, dass sie eine gute Antwort finden.

Dafür ist es auch wichtig, dass der Volksbund vor Ort nicht nur an Gedenktagen gemeinsam mit anderen Projekte macht. Und dass wir aktuelle Fragen aufgreifen. „Weltfrieden“ ist für viele derzeit ein ganz wichtiges Stichwort. Was hat das mit unserer Vergangenheit zu tun? Da müssen wir eins mit dem anderen verknüpfen. Am besten gemeinsam mit Partnern vor Ort.

Als der Volksbund drei Jahre alt war – 1922 –, gab es die erste zentrale Gedenkveranstaltung  in Berlin. Bald geht der Volkstrauertag in sein zweites Jahrhundert. Wo sehen Sie ihn, wenn Sie in die Zukunft blicken?

Vielleicht an einem anderen Tag, vielleicht am 8. Mai. Der könnte ein deutscher Friedens- und Gedenktag werden. Eine schöne Vorstellung: Der Sommer beginnt, alles blüht auf, wird grün, und das bundesweite Gedenken ruft nicht mehr die Vorstellung von einem nasskalten, grauen Novembertag hervor. Eine andere Jahreszeit, ein anderer Rahmen, in dem traditionelle Elemente genauso ihren Platz haben wie moderne.


Herr Behrmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Online finden Sie die "Grundsätze und Empfehlungen zur Neuorientierung des Volkstrauertages als Friedens- und Gedenktag in Niedersachsen" auf der Volksbund-Seite des Landesverbandes Niedersachsen zum Volkstrauertag.

Weitere Informationen zum Volkstrauertag, der 2020 im Zeichen der deutsch-britischen Freundschaft steht, finden Sie hier.

 

Aktion „Vergissmeinnicht"


Neue Wege geht der Volksbund 75 Jahre nach Kriegsende, um das Gedenken und die Erinnerung öffentlich zu machen: Im Rahmen der Aktion "Vergissmeinnicht" zum Volkstrauertag wird ein Stahlkranz mit 1.000 metallenen Blüten in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin stehen. Vergissmeinnicht und Mohnblumen stehen für gemeinsames deutsch-britisches Gedenken. Sie können die Aktion mit einer Spende und dem Hinweis „Vergissmeinnicht" unterstützen – per Überweisung, Bankeinzug oder telefonisch. In Ihrem Namen wird dann symbolisch eine Blüte an den Gedenkkranz geschraubt.

 

 

Online informiert der Volksbund bis zum Volkstrauertag weiter über Neuigkeiten zur Aktion „Vergissmeinnicht". Seine Arbeit finanziert der gemeinnützige Verein vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Mehr Informationen finden Sie unter www.volksbund.de/helfen.