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„Frieden fängt mit Verstehen an“

70 Jahre Jugendarbeit: Friedens-Kongress setzt Schlusspunkt – Gespräch mit dem Fotografen und Journalisten Andy Spyra

Beim „Peace Congress” des Volksbundes vom 22. bis 24. September in Berlin war der gebürtige Hagener Spyra sowohl einer der prominenten Redner als auch Leiter eines Workshops zum Thema „Capturing People – Creating Narratives” („Das Fremde einfangen – Geschichten erzählen”).
 

Der Friedenskongress bildete den Abschluss des Programms 2023 zu „70 Jahre Jugendarbeit im Volksbund“ und war gleichzeitig Höhepunkt der Kampagne „courage counts“. 150 junge Menschen aus 22 europäischen Staaten nahmen daran teil. In Workshops und Diskussionsgruppen arbeiteten sie an Konzepten zur Friedensarbeit auch in ihrer Heimat.
 

Unterwegs in Krisenregionen der Welt

Der Fotograf Andy Spyra ist durch seine Bilder aus den Krisenregionen dieser Welt bekannt. Sie erscheinen weltweit in namhaften Magazinen und Zeitungen, darunter in der FAZ, der ZEIT, im SPIEGEL, in GEO, in „The New Yorker“ und im „TIME Magazine“. Er arbeitet an Langzeitprojekten auf dem Balkan, im Nahen Osten und in der Sahel Zone – einer Region, der er sich sehr verbunden fühlt.

Mit Andy Spyra sprach Christina Söder, Referentin Marketing & Redaktion, im Vorfeld.
 

Herr Spyra, in einem Zeitungsinterview haben Sie einmal gesagt, dass Sie nicht als „Kriegsfotograf“ bezeichnet werden wollen. Wie ist Ihr Selbstverständnis?

Tatsächlich arbeite ich in vielen Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt. Eng definiert zeigt ein Kriegsfotograf das Geschehen an der Front, die direkte kriegerische Auseinandersetzung, die Waffen, den Kampf. Mich interessiert hingegen das, was hinter den direkten Kampfhandlungen passiert. Die spannenderen Geschichten sind für mich die Menschen hinter der Front. Was passiert dort mit einer Gesellschaft? Wie verändert sich eine Gemeinschaft durch den Krieg? Welche Spuren hinterlassen Kriege und Konflikte?
 

Viele Ihrer Bilder sind Porträts. Sie zeigen Momentaufnahmen und man möchte als Betrachter nach der Geschichte dahinter fragen. Was interessiert Sie an den Menschen?

Alles geht vom Menschen aus: Menschen beginnen Kriege, Menschen nehmen Einfluss auf ihre Umwelt. Aber der Krieg hat auch Auswirkungen auf die Menschen. So entsteht eine Wechselwirkung. Und ich frage mich: Was macht Krieg mit einer Gesellschaft? Was passiert langfristig mit einer vom Krieg geprägten Gesellschaft? Welche Traumata gibt es? Man spricht davon, dass diese tiefgreifenden schmerzhaften Erfahrungen bis in die dritte Generation weiterwirken.

 

Was tun Sie, um das Erlebte, das Gesehene zu verarbeiten?

In meinem Beruf muss man mit den Erlebnissen umgehen können. Man braucht schon eine gewisse psychische Konstitution, um sich immer wieder diesen extremen Situationen zu stellen. Mir hilft ein stabiles soziales Umfeld, meine Familie, meine Kinder. Die sind mein Anker.

Nun bin ich als Fotograf und Journalist aber auch kein Zivilist, der dem Kriegsgeschehen hilflos ausgesetzt ist. Ich bin kein Opfer der Gewalt, sondern ein Beobachter und Berichterstatter. Ich bin aktiv. Das ist meiner Meinung nach wichtig. Wenn ich hilflos bin und Dinge mit mir geschehen, dann entwickeln sich Traumata. Um es platt auszudrücken: Für mich ist nach zwei, drei Wochen der Krieg vorbei, während er für viele, viele Menschen Alltag ist.

Beim Friedenkongress sind Sie nicht nur „Keynote Speaker“ – prominenter Redner –, sondern leiten den Workshop „Capturing People – Creating Narratives“ („Das Fremde einfangen - Geschichten erzählen”). Warum engagieren Sie sich dort und was wollen Sie vermitteln?

Bei Journalisten hört man oft den Satz: „Ich möchte das Bewusstsein für ein Thema schaffen.“ So abgedroschen dieser Satz auch ist, passt er doch in gewisser Weise zu meiner Rolle als Berichterstatter aus Kriegs- und Konfliktgebieten. Mir ist es wichtig, Wissen über Konflikte zu vermitteln und Kriege begreifbarer zu machen, indem ich die Menschen zeige, deren Leben damit verknüpft ist. Frieden fängt mit Verstehen an. Um zu verstehen, braucht man Informationen. Informationen sind wichtig für Entscheidungen. Informationen sind wichtig für junge wie alte Menschen, denn nur eine informierte und gebildete Bevölkerung kann Frieden schaffen.

 

Beim Friedenskongress kommen rund 150 junge Menschen aus 22 Ländern zusammen, um nach Möglichkeiten zu suchen, sich für den Frieden zu engagieren. Was sagen Sie ihnen?

Ich bin Fotograf. Mein Medium sind Bilder. Sie sind international und man kann sie über Grenzen hinweg weltweit verstehen. Dazu möchte ich jungen Menschen Werkzeug an die Hand geben, um das, was um sie herum geschieht, festzuhalten und als eigenes Narrativ visuell umzusetzen. Ich möchte sie motivieren, die Augen offen zu halten und aktiv zu werden.

Was kann man Ihrer Meinung nach für eine friedliche Zukunft tun? Was kann der Volksbund, was kann jeder Einzelne tun?

Das große Schlüsselwort in meinen Augen ist Bildung. Sei es in Afghanistan oder in der Sahel Zone – wenn die Hälfte der Bevölkerung oder sogar noch mehr Menschen keinen Zugang zu Bildung haben, sieht es für die friedliche Entwicklung in einem Land schlecht aus.

Hier bei uns brauchen wir Empathie- und Dialogfähigkeit. Junge Menschen sollten auch andere Meinungen hören und mal die Perspektive wechseln. Der Austausch untereinander – wie beim Friedenskongress des Volksbundes – ist wichtig. Aber letztendlich ist auch hier Bildung die Voraussetzung, um ein Bewusstsein zu entwickeln, aktiv zu werden und sich zu engagieren.

 

Die Jugendarbeit des Volksbundes steht in diesem Jahr unter dem Motto „courage counts“ („Mut zählt“). Was verbinden Sie mit dieser Aussage?

Wie wichtig Mut ist und dass man mit Mut sehr viel erreichen kann, habe ich schon in vielen Ländern erlebt. Oft begegnen mir Mitarbeiter von NGOs und auch Privatpersonen, die in Kriegsgebieten und Krisenregionen tagtäglich Leib und Leben riskieren. Sie engagieren sich für eine bessere Welt und bemühen sich, Streit zu schlichten und anderen zu helfen. Dazu gehört viel Mut, denn im schlimmsten Fall verlieren sie dabei ihr Leben. Auch unsere Zivilgesellschaft hier in Deutschland braucht mutige Menschen. Und da kommt wieder die Bildung ins Spiel. Ich möchte jungen Menschen sagen: Bildet Euch! Nehmt Einfluss! Seid mutig!

Herr Spyra, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und Ihre Unterstützung beim Friedenskongress!
 

Informationen zum Friedenskonkress finden Sie hier: PEACE CONGRESS

Hintergründe zur Kampagne „courage counts” im Rahmen von 70 Jahre Volksbund-Jugendarbeit und zum Programm des Jahres gibt es hier: „courage counts“: Kampagne zu 70 Jahre Jugendarbeit beim Volksbund