177 Tote und etwa halb so viele Erkennungsmarken fand das Volksbund-Team in Surowikino. Im besten Fall lassen sich die Marken zuordnen, oft genug aber auch nicht. (© Volksbund)
Hinweis von Anwohnern: Volksbund entdeckt Massengrab vor Wolgograd
Suche des Umbettungsdienstes führt in russischer Kleinstadt auf Umwegen zum Ziel
1943 hatte Stalin den Befehl erlassen, dass alle Gräber, die sich in der Nähe von Schulen oder medizinischen Einrichtungen befanden, verlegt werden sollen. Das galt offenbar auch für den Ort Surowikino. Er liegt 130 Kilometer entfernt von Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad. Gespräche mit Anwohnern führten ein Volksbund-Umbettungsteam zu einem Massengrab.
In Wolgograd und Umgebung findet die Suchmannschaft von Gruppenleiter Matthias Gurski immer wieder sterbliche Überreste deutscher Soldaten. Dieser neuste Fall aber ist etwas besonderes. So gab es seit langem vage Hinweise, dass es einen ehemaligen Soldatenfriedhof auf einem Schulgelände in der Kleinstadt Surowikino, rund 130 Kilometer von Wolgograd entfernt geben solle.
Letzte Ruhestätte: Schulhof?
Aus Nord-West kommend waren Teile der 6. Armee von General Paulus im August 1942 auf dem Weg über Surowikino nach Kalatsch und weiter nach Wolgograd offenbar in Kampfhandlungen geraten. Denis Deryabkin leitet den Volksbund-Umbettungsdienst in der Russischen Föderation. Von Wolgograd aus machte er sich mit seinen Leuten auf den Weg zur Schule in die 14.000 Einwohner zählende Stadt Surowikino. Von der Partnerorganisation des Volksbundes in Russland „Soldatengedenkstätten“ war die Erlaubnis zur Ausbettung gekommen.
„Unsere Leute haben den Schulhof fast komplett umgepflügt, aber nichts gefunden“, schildert Deryabkin die Situation. „Die Brigade war recht frustriert.“ Bei Gesprächen mit der Bevölkerung fiel dann plötzlich nebenbei der Satz: „Schaut mal auf dem regulären Friedhof nach, dort soll nach dem Krieg ein Massengrab angelegt worden sein. Aber es ist nur so ein Gerücht.“
Luftaufnahmen aus US-Archiv
Der Umbettungsdienst besorgte in aller Eile eine Luftaufnahme von Surowikino, die die Wehrmacht angefertigt hatte. Dieses Material war von den US-amerikanischen Streitkräften nach Kriegsende konfisziert worden. Seit Jahren kauft der Volksbund diese Luftbilder von einem Archiv in den USA an. „Wir konnten erkennen, dass es am Rande des Friedhofes Verwerfungen gegeben hat. Dort wurde Erde in großem Umfang bewegt. Das war unser Ziel!“, sagt Denis Deryabkin.
Vor Ort wurde ein Traktor gemietet. Beim Ausheben der obersten Schicht stieß die Suchtruppe sofort auf sterbliche Überreste deutscher Soldaten. Ein Massengrab wurde entdeckt, zwölf Meter lang, drei Meter breit, fast zwei Meter tief. Die Suchmannschaft begann vorsichtig mit der Ausbettung.
Jeder zweite mit Erkennungsmarke
Die Exhumierung dauerte drei Tage und brachte tatsächlich die Gebeine von 177 Toten ans Tageslicht. Das Überraschende war nicht nur dieser große Fund: Auch die Menge der Erkennungsmarken ist bemerkenswert. Mehr als 80 trugen die Umbetter zusammen. Sie weisen darauf hin, dass es sich tatsächlich um die Wehrmachtsangehörigen gehandelt hat, die ursprünglich auf dem Schulgelände – auf einem sogenannten „Heldenfriedhof“ – beigesetzt worden waren.
1943 hatte Stalin den Befehl erlassen, dass alle Gräber, die sich in der Nähe von Schulen oder medizinischen Einrichtungen befanden, verlegt werden sollen. Das galt offenbar auch für Surowikino.
„Immer wieder werden wir mit solchen Situationen konfrontiert“, erläutert Denis Deryabkin. „Wir haben Informationen über eine Grablage, aber dann findet sich dort nichts.“ Was folgt, sind mühsame Recherche und oft schwierige Arbeit vor Ort, was sich aber – wie der Fall Surowikino zeigt – in vielen Fällen lohnt. Vor allem dann, wenn es noch überlieferte Erinnerungen gibt.
Drei weitere Einsatzorte im Juli
Über weitere Einsätze der Umbettungsteams auf russischem Territorium berichten wir in diesem Artikel: Grablagen am Straßenrand, an früherem Flughafen, auf Baugrundstück
Text: Hermann Krause
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