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Modell-Projekt Northeim: Studienfahrten für Azubis

Volksbund und Landkreis kooperieren und schicken Auszubildende auf Kriegsgräberstätten

Eine Initiative, die Schule machen könnte: Bereits zum zweiten Mal fuhren Auszubildende des Landkreises Northeim für fünf Tage in die Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Niederbronn-les-Bains nach Frankreich. Landrätin Astrid Klinkert-Kittel möchte ihre jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Geschichte sensibilisieren. Mit der Erfahrung von 70 Jahren Jugendarbeit liefert der Volksbund das Know-how. Die Stiftung Gedenken und Frieden fördert die Kooperation.


Konzentriert und nachdenklich stehen sie in einer alten Tenne, die mittlerweile als Veranstaltungs- und Seminarraum eines Landhotels genutzt wird: drei Frauen und zwei Männer. Stellvertretend für 21 junge Menschen aus der Kreisverwaltung Northeim und mehreren Gemeindeverwaltungen berichten sie über eine Reise, die in dieser Form für alle neu war.
 

Schauplätze der Weltkriege

Ende September fuhr die Gruppe mit einem Reisebus von Niedersachsen ins Elsass und bezog in der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Niederbronn-les-Bains Quartier. Schon am ersten Tag erhielten die jungen Leute eine Einführung in das Thema Gedenkarbeit, denn der Ort ist Programm: Das Gästehaus befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der gleichnamigen Kriegsgräberstätte. Dort sind 15.458 Tote des Zweiten Weltkrieges bestattet – Zivilisten und Angehörige anderer Nationen ebenso wie SS-Mitglieder und verurteilte Kriegsverbrecher.

Gut 200 Kilometer entfernt liegt Verdun. Die Stadt an der Maas erinnert wie kaum eine andere an die Schrecken des Ersten Weltkrieges. Am zweiten Tag ihrer Reise machten sich die Auszubildenden auf den Weg dorthin. Namen und Begriffe aus Geschichtsbüchern wurden zu realen Orten und Gebäuden.
 

Nicht zu identifizieren, nicht zu sehen

Neben dem Fort Douaumont und dem Museum „Mémorial de Verdun“ besuchte die Gruppe auch das Beinhaus. An dieser französischen Grabstätte befinden sich die nicht identifizierten Gebeine von Gefallenen aus der Schlacht um Verdun. „Ich fand sehr beeindruckend, wie viele unterschiedliche Knochen dort noch gefunden wurden, die nicht zuzuordnen waren. Wie viele unbekannte Menschen dort noch liegen“, sagt Lukas.

Dass Geschichte sich nicht immer auf den ersten Blick erschließt, konnten die jungen Leute am Beispiel von Fleury-devant-Douaumont nahe Verdun nachvollziehen.  „Ich fand diese Dörfer am eindrucksvollsten, von denen noch nicht mal mehr die Grundmauern stehen. Wenn man das nicht weiß, würde man denken, dort wäre nur Wald“, sagt Paulina.
 

Jeder Brief ein Schicksal

Ob Briefe, Biographien oder Besucherbücher der Kriegsgräberstätte – am Vormittag des dritten Tages beschäftigte sich die Gruppe in Niederbronn mit historischen Quellen. „Ich fand es sehr beeindruckend, die letzten Briefe zu lesen – Briefe von Menschen, die als Widerstandskämpfer im Konzentrationslager hingerichtet wurden, oder auch Briefe von Soldaten, die im Krieg gefallen sind”, sagt Anessa. „Es hat mich auch bewegt, dass manche Menschen trotz eines schlimmen Schicksals noch an das glaubten, was sie vertreten haben.“

Ein Ort, der mit den Schicksalen zehntausender Menschen verknüpft ist, ist das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. Am Mittwochnachmittag nahmen die Auszubildenden an einer Führung teil. Für Leonardo war dieser Termin das markanteste Erlebnis der ganzen Reise: „Das Konzentrationslager hat einen heftigen Eindruck auf mich gemacht, denn wir konnten sehen, unter welchen Umständen die Menschen dort leben und oft auch sterben mussten.“
 

Ein anderes, gemeinschaftliches Europa

Zwei Weltkriege haben unseren Kontinent geprägt und nach 1945 zu einem Umdenken geführt. Ausdruck eines anderen, friedlichen und demokratischen Europas ist das Europaparlament in Straßburg. Dorthin fuhren die Auszubildenden aus Northeim an ihrem letzten Tag – Bootstour und Stadtbummel inklusive.

Mit dem Treffen im Landhotel in Nörten-Hardenberg verfolgte Landrätin Astrid Klinkert-Kittel drei Ziele. Erstens: die Reise ihrer Auszubildenden einem breiteren Publikum vorzustellen. Zweitens: Kolleginnen und Kollegen in den Kreis- und Gemeindeverwaltungen mit den Bildungsangeboten des Volksbundes vertraut zu machen, und drittens: weitere Kooperationen dieser Art anzuregen.
 

Verbindung zur Volksbund-Arbeit

Für den Volksbund sind Ansgar Salzwedel, Mitglied des Volksbund-Bundesvorstandes, und Dr. Rainer Bendick, Bildungsreferent im Bezirksverband Braunschweig, vor Ort. Ersterer spricht ein Grußwort. Letzterer stellt die Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten sowie andere Bildungsangebote des Volksbundes vor. Am Schluss zitiert Astrid Klinkert-Kittel die Worte eines Reiseteilnehmers: „Es war eine tolle Möglichkeit, die Geschichte vor Ort besser zu verstehen. Es hat zum Nachdenken angeregt.“

Doch die Reise hat nicht nur geholfen, Geschichte anschaulicher zu machen. Sie hat die Gruppe zusammengeschweißt und die Auszubildenden mit der Volksbund-Arbeit vertraut gemacht. Auch zukünftig werden sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreis- und Gemeindeverwaltungen dem Volksbund begegnen: bei der Haus- und Straßensammlung, bei der Organisation des Volkstrauertages, bei Städtepartnerschaften oder in der Friedhofsverwaltung. Dank ihrer Reiseerfahrungen können sie nun das Volksbund-Motto „Gemeinsam für den Frieden“ mit Inhalten füllen.
 

Weitere Informationen ...

... zu diesem Projekt gibt es bei Dr. Rainer Bendick. Über die Fördermöglichkeiten der Stiftung Gedenken und Frieden informiert Dr. Dirk Richhardt. Weitere Ansprechpartner und Angebote finden Sie beim Referat Schulen und Hochschulen und in den vier Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist ein gemeinnütziger Vereine, der seine Arbeit vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert.