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Totenfunde auf Industriebrache

Archäologische Grabungen in Bremen-Oslebshausen – Umbettungen 1948 offenbar nicht abgeschlossen

Seit Sommer 2021 arbeitet die Landesarchäologie Bremen an umfangreichen Ausgrabungen im Bremer Stadtteil Oslebshausen auf dem Gelände des sogenannten „Russenfriedhofs“ aus dem Zweiten Weltkrieg. Dort sind inzwischen mehrere Skelette von Kriegstoten geborgen worden. Der Volksbund steht Behörden und Archäologen-Team beratend zur Seite.
 

Der Hintergrund: Zwischen 1941 und 1945 waren hier sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bestattet worden. Die Bremer Behörden hatten bereits 1948 in Absprache mit den Alliierten die Exhumierung und Umbettung auf die Kriegsgräberstätten des Osterholzer Friedhofes in Bremen beschlossen. Deshalb wurden Ende der 1940er Jahre die sterblichen Überreste von mehr als 440 Kriegstoten von Oslebshausen nach Osterholz in ein anonymisiertes Massengrab umgebettet. In Oslebshausen befindet sich an dieser Stelle heute eine Industriebrache, die zwischen Bahngleisen und einem Industriegebiet liegt. Obwohl es eine kleine Gedenkstätte im vorderen Abschnitt der Straße gab und gibt, war die Geschichte des Ortes lange Zeit in Vergessenheit geraten.
 

Tote dort vermutet

2021 gab es im Zuge der Bebauungsplanung für das Areal Vermutungen, dass die Umbettungen 1948 nicht abgeschlossen worden waren, das heißt: dass dort noch Tote liegen könnten. Die Pläne zum Bau einer Bahnwerkstatt waren von Beginn an umstritten – Hinweise, dass dort noch mehr als 300 weitere Kriegstote liegen könnten, sorgten für politischen Zündstoff. Um Klarheit zu schaffen, wurde die Landesarchäologie Bremen mit Ausgrabungen beauftragt. Im Spätsommer 2021 begannen die Grabungen auf einer Fläche von insgesamt 3.500 Quadratmetern.

Das zu untersuchende Areal ließ sich mit Hilfe von Luftbildern der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg relativ genau eingrenzen. Schnell wurden einzelne Knochen und Knochenfragmente sowie einige Erkennungsmarken auf dem Gelände gefunden und relativ eindeutig als „Streu- und Restfunde“ der Arbeiten von 1948 eingestuft. Am 23. Dezember wurde ein erstes vollständiges Skelett entdeckt. Da es deutlich tiefer als die bisherigen Funde vergraben war und außerdem unter einem bereits 1948 geborgenen Grab lag, war es 1948 vermutlich übersehen worden.
 

Grablage unter einer Rampe

Im Januar fand man mehr als zehn vollständige Skelette. Sie  lagen unter einer Erdrampe, die man zur Erschließung des Geländes im Zuge der Umbettungen von 1948 angelegt hatte. Die Expertinnen und Experten der Landesarchäologie vermuten, dass die Toten deshalb damals nicht gefunden wurden. Darüber hinaus kamen bis Mitte Januar rund 80 Erkennungsmarken ans Tageslicht, die helfen, die Opfer zu identifizieren. In einigen Fällen ließen sich so noch lebende Angehörige etwa in der Ukraine ermitteln.

Der Volksbund-Landesverband Bremen steht dem Team der Landesarchäologie und den Behörden seit Beginn der Arbeiten beratend zur Seite. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren bei der Ausbettung des ersten vollständigen Skeletts am 19. Januar dabei und machten sich ein Bild der Arbeit der Landesarchäologie. Seit Beginn der Ausgrabungen und zur Koordination des weiteren Vorgehens stehen die Bremer Behörden in engem Kontakt mit den Herkunftsländern der Opfer. Bisher sind vor allem die Ukraine und die Russische Föderation betroffen. Ob die Funde weitere Staaten betreffen, wird derzeit geprüft.
 

Studentengruppe aus der Ukraine

Im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit wurde das Team der Landesarchäologie bereits kurz nach Beginn der Arbeiten für einige Zeit von Studentinnen und Studenten aus der Ukraine unterstützt. Im diplomatischen Austausch ist man sich einig, dass die geborgenen Gebeine auf die Kriegsgräberstätten auf dem Osterholzer Friedhof umgebettet werden sollen. So würden sie mit den sterblichen Überresten der bereits 1948 umgebetteten Kriegstoten zusammengeführt.

Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte denkt außerdem an die Errichtung einer Gedenkstätte. Der Volksbund Bremen unterstützt diesen Vorschlag. Und mit der Umbettung wäre sichergestellt, dass auch diese Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft nach mehr als 70 Jahren endlich eine würdige Ruhestätte erhalten.

Die  Ausgrabungen werden bis mindestens Frühjahr 2022 andauern.

Text: Matthias Sobotta (Landesgeschäftsführer)
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