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Volksbund in Russland: „Sie dürfen Ihre Arbeit nicht unterbrechen!“

Hermann Krause, Büroleiter in Moskau, über die aktuellen Bedingungen für Exhumierungen und Einbettungen

In Deutschland werde ich immer wieder gefragt, ob wir unsere Arbeit in Russland eigentlich noch fortsetzen können und ob sie von Bedeutung ist. Hier, in Moskau, stellt man mir diese Frage nie. Wann immer ich erwähne, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Russland nach wie vor deutsche Soldaten findet und würdevoll beisetzt, stoße ich auf positive Reaktionen.
 

„Das ist eine heilige Angelegenheit”, hörte ich vor kurzem, „das dürfen Sie nicht einstellen”. Eine andere Antwort: „Gerade in der jetzigen Zeit dürfen Sie Ihre Arbeit nicht unterbrechen.” Davon ist beim Volksbund auch nicht die Rede, doch wir haben in Moskau natürlich die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen auf ein Mindestmaß reduziert. Abgebrochen haben wir die Kontakte zu keiner Zeit, denn wir brauchen unsere Ansprechpartner!
 

Ausbettungen gehen weiter

Zu den Partnern gehört an erster Stelle die Organisation „Soldatengedenkstätten”, mit der wir seit mehr als 30 Jahren zusammenarbeiten! Überhaupt hat sich auf der Arbeitsebene vor Ort wenig geändert. Unsere Ausbetter, die in Dreck und Schlamm stehen, bei Regen wie bei unerträglicher Hitze exhumieren, die gegen Stechmücken kämpfen und auf dem Lehm ausrutschen – sie wissen um die Bedeutung ihrer Arbeit und wir wissen ihr Können und ihren Einsatz zu schätzen!

Da, wo es nicht anders ging, haben wir unser Engagement reduziert. Aber die Tätigkeit in Russland ganz einstellen? Dagegen sprechen nicht zuletzt die „Notausbettungen“. Wenn bei Bauarbeiten Gebeine entdeckt werden, ist es wichtig, dass unsere Experten in kürzester Zeit an der Baustelle sind und vorsichtig und behutsam beginnen, die Gräber freizulegen. Ein Beispiel für ein aktuelles Projekt ist der Einsatz in Surowikino vor Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad. Eine Notausbettung gab es wenige Wochen zuvor in der Stadt selbst.
 

Fast ein Drittel geborgen

1,4 Millionen deutsche Soldaten sind auf dem heutigen Gebiet der Russischen  Föderation ums Leben gekommen. Bisher hat der Volksbund an die 495.000 Tote geborgen – also knapp ein Drittel. Vor allem wegen der Pandemie gingen die Zahlen in den vergangenen Jahren drastisch zurück. Waren es 2018 noch fast 13.000 exhumierte Kriegstote, lag die Zahl 2022 bei gut 5.800.

Überall  finden sich noch Gebeine deutscher Soldaten. Auch Erkennungsmarken liegen in vielen Gräbern, sodass die Chance besteht, Angehörige zu informieren und die Schicksale bisher Vermisster zu klären. An diesem Prozess sind viele engagierte Volksbund-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter beteiligt.
 

Kontinuität bei Friedhofspflege

Auch die Pflege der Kriegsgräberstätten  in Russland geht weiter: Die großen Anlagen vor Wolgograd (Rossoschka) oder vor Sankt Petersburg (Sologubowka) sind herausragende Friedhöfe. Sie erfordern Schutz und Pflege, genauso wie die kleineren, wunderschön gelegenen Friedhöfe etwa im Gebiet um Königsberg (heute Oblast Kaliningrad).

In diesem Jahr finden zudem Beisetzungen auf fast allen großen Friedhöfen statt. Die Gebeine von rund 4.000 deutschen Soldaten, die in diesem oder im vergangenen Jahr geborgen wurden, sollen dann beerdigt werden. Wegen des Ukraine-Krieges geschieht das in aller Stille, ohne Delegationen, ohne örtliche oder angereiste Politprominenz und auch ohne Angehörige aus Deutschland. Die Arbeit geht, wie kürzlich Wolfgang Schneiderhan als Präsident des Volksbundes sagte, auf „technischer Ebene" weiter.

Offizielle Erlaubnis - persönliche Kontakte

In zwei Schreiben hat das russische Außenministerium dem Volksbund bestätigt, dass er seine Arbeit fortsetzen darf, obwohl Deutschland ein „nicht freundlicher Staat” sei. Angefordert hatte diese Schreiben unsere Partnerorganisation „Soldatengedenkstätten”.

Bei der Erteilung von Genehmigungen zur Exhumierung gibt es hin und wieder Probleme, aber im Laufe der Jahrzehnte sind auf der Arbeitsebene wertvolle Kontakte mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Behörden vor Ort entstanden, dass vieles sich im persönlichen Gespräch lösen lässt. Die zwischenmenschliche Ebene ist heute noch wichtiger als in der Vergangenheit. Politik wird dabei weitgehend ausgeklammert. Dies kann man verurteilen oder begrüßen, je nach Standpunkt. 
 

Russische Besucher an deutschen Gräbern

Begrüßenswert ist auf jeden Fall, dass es russische Bürger sind, die unsere Friedhöfe besuchen und andächtig die Namen der dort bestatteten Soldaten lesen! Manchmal sind es ganze Familien, die einen Ausflug auf einen in der Nähe gelegenen Friedhof machen – Pillau (heute Baltijsk) direkt an der Ostsee ist ein Beispiel. In Rshew, rund 200 Kilometer westlich von Moskau, sind es Busse, die Besucher aus allen Teilen der Russischen Föderation, aber auch aus Kasachstan und Usbekistan zum so genannten „Friedenspark" bringen, zu dem auch der deutsche Friedhof gehört. Es ist ein „Muss” für den Reiseführer, die Touristen an den Figuren von Käthe Kollwitz vorbei auf den deutschen Soldatenfriedhof zu führen. 

Text: Hermann Krause
Kontakt

Das „Eine-Million“-Projekt

Im Herbst wird der Volksbund den einmillionsten Kriegstoten bergen. Die aktuellen Einsätze wie der in Surowikino sind wichtige Schritte auf diesem Weg. Parallel dazu wollen wir eine Million Euro an Spenden sammeln. Gemeinsam können wir das „Eine-Million-Projekt“ ans Ziel bringen – bitte unterstützen Sie uns dabei! Danke!