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Von einer Idee zum Netzwerk für den Frieden

PEACE LINEs laufen in einem Friedensforum zusammen

Die Repräsentanz der Würth-Gruppe in Schwanenwerder am Berliner Wannsee war der Ort, an dem sich am 1. November ein Kreis schloss. Rund 40 junge Leute aus ganz Europa tauschten dort ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus, die sie bei fünf Touren auf zwei PEACE LINE-Routen gesammelt hatten. Mit Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft diskutierten sie Ideen für eine friedlichere Welt, stellten aber auch kritische Fragen und knüpften ein Netzwerk für eine friedliche Zukunft. 

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des PEACE LINE-Projekts 2021 sollen nun als Friedensbotschafter ihr neues Wissen teilen und nach außen tragen. Das Besondere: Auch die Idee der PEACE LINEs war bei einem solchen Treffen junger Menschen entstanden.
 

Der Beginn der Geschichte

Ein Blick zurück: Im November 2018, zum Gedenken an 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges, hatten 400 Jugendliche 20 Ideen für den Frieden in Europa gesammelt. Sie überreichten diese Vorschläge an den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Ein Wunsch wurde Wirklichkeit, eine Idee wurde Realität: Das Auswärtige Amt beauftragte den Volksbund, der jahrzehntelange Erfahrungen mit internationaler und historisch-politischer Jugendarbeit hat, mit der Realisierung von Erinnerungsreisen quer durch Europa, den PEACE LINEs.

Junge Europäer sollen gemeinsam Stationen der europäischen (Kriegs)Geschichte besuchen, sich über ihre nationalen Sichtweisen austauschen und gemeinsam aus der Geschichte lernen. 2021 waren dann insgesamt 106 junge Menschen aus 20 europäischen Staaten unterwegs: drei Gruppen auf der Blauen und zwei auf der Grüne Route. Die Grüne Route führt von Berlin nach Weimar und Prag, von dort weiter nach München, an den Bodensee und an den Hartmannswillerkopf. Mit einem Abstecher nach Verdun und Schengen endet die Reise in der Jugendbegegnungsstätte (JBS) des Volksbundes in Niederbronn-les-Bains. Die Blaue Route führt von Berlin nach Riga, Kaunas und Danzig und endet in der JBS Golm auf Usedom.
 

Was haben sie mitgebracht?

Nun – mit der Rückkehr der letzten Gruppe von der Blauen Route nach Berlin – war es Zeit für einen kritischen Rückblick. Was hatten die Friedensbotschafter mitgebracht? Was haben sie gelernt und erfahren? Auch zehn Teilnehmende aus den ersten Gruppen und acht amerikanische Studierende waren dabei und nutzen die Gelegenheit zum Austausch und dazu, Fragen zu stellen.

Daniela Schily, Leiterin der Repräsentanzen der Würth-Gruppe in Berlin und Brüssel, erzählte von den Anfängen des Projekts. Sie erinnerte daran, wie begeistert Unternehmensgründer Prof. Dr. Reinhold Würth von der Idee der PEACE LINEs gewesen war. Deshalb hatten die Würth-Gruppe und BMW Berlin junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Teilnahme an PEACELINE freigestellt. In einer der ersten Gruppen waren junge Auszubildende von SMA Solar Technology dabei.

Im Friedensforum sollte es noch einmal um die großen Themen gehen, die auf der Reise selbst auch schon immer wieder vertieft worden waren:  In drei Gruppen diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Themen „Peace and Security“, „Culture and Communication“ und „Freedom and Responsibility“.

Frieden und Sicherheit

Wolfgang Schneiderhan, wiedergewählter Präsident des Volksbundes und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, stellte sich den Fragen zu Frieden und Sicherheit. Schneiderhan erläuterte den Rollenwechsel des Militärs und die Veränderung der Aufgabenbereiche. Heute habe die Bundeswehr eine unterstützende Funktion. Auch der Radius habe sich erweitert – früher war er auf Europa begrenzt, heute ist die Bundeswehr als NATO-Bündnispartner im weltweiten Einsatz. Sicherheit bedeute nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche sowie Daten-Sicherheit und Schutz vor Terror. Um Sicherheit zu bewahren, sei ein ganzheitlicher Ansatz nötig.

Dazu gehörten vertrauensbildende Maßnahmen. Man müsse mit anderen reden. Dabei müsse man nicht alles verstehen, aber zumindest verstehen, dass andere anders denken. „Wir leben in einer multipolaren Welt mit mehr Playern: Indien, China, die Russische Föderation, die USA, Europa. Europa ist ein Player, auch wenn die Europäer das noch nicht ganz verstanden haben“, – so spitz formulierte das Moderator Prof. Eckart Stratenschulte. „Und wenn wir über eine europäische Armee sprechen, müssen wir akzeptieren, dass es auch dort unterschiedliche Akteure gibt: die Mittelmeerländer, Mitteleuropa, Osteuropa“.

Kultur und Kommunikation

Dr. Peter Kettner vom Auswärtigen Amt stellte sich den Fragen zu Kultur und Kommunikation. Dr. Heike Dörrenbächer, die Leiterin der Volksbund-Abteilung Gedenkkultur und Bildung, moderierte und fasste die Ergebnisse zusammen: Interkulturelle Kommunikation bedeutet erst zuhören, dann in Dialog treten. Dabei ist Toleranz zu wenig. Man muss sich gegenseitig ernst nehmen und auf Augenhöhe miteinander sprechen. Trotz unterschiedlicher historischer Erfahrungen und auch mit der Wahrung einer nationalen Identität kann man gemeinsam für ein besseres Europa eintreten.

Und auch das gehörte zu den Erkenntnissen: Die Globalisierung erreicht Menschen auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichem Maß. Dabei sind diejenigen im Vorteil, die mit dem Umgang mit Sozialen Medien gut vertraut sind. Deshalb ist es wichtig, Strukturen statt Projekte zu finanzieren. Lösungen kann man nicht planen – sie müssen sich praktisch finden.

Freiheit und Verantwortung

Mit Prof. Dr. Ulrich Roth von der Stiftung Würth und Daniela Schily diskutierten die jungen Frauen und Männer das Thema „Freiheit und Verantwortung“. Ziele einer sozialen Wirtschaft – „Corporate Social Resonsibilty“ (CSR) – sind ein schonender Umgang mit Ressourcen, Klimaschutz, Einhaltung der Menschenrechte und der Schutz von Arbeitnehmern. Die Öffentlichkeit und auch Konsumenten seien hier kritischer geworden, hieß es. Wie können gerade kleine und mittlere Unternehmen diese Ziele erreichen? Mit Zusammenarbeit, mit Förderung und Bildungschancen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, waren Antworten. Vielleicht sei da auch ein Perspektivwechsel nötig, so eine Teilnehmerin. „Unternehmen müssen nicht nur daran denken, was sie nehmen können, sondern darüber nachdenken, was sie anbieten wollen“.
 

Tiefe Eindrücke, die lange wirken

Ein Quartett berichtete denen, die auf dem Podium saßen, davon, was sie jeweils besonders auf ihrer Route berührt hatte:

Laura aus Deutschland war von der Geschichte der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność tief beeindruckt: Aus einer anfangs kleinen Gruppe von Menschen, die ihre Stimme erhoben hatten, sei eine große gesellschaftliche Bewegung entstanden, die einen politischen Wandel herbeigeführt hatte.  

Neffi aus Griechenland war sehr berührt von dem „Kinder-Denkmal“ am Gedenkort für das vernichtete Dorf Lidice bei Prag. Die Männer des Dorfes waren in einem nationalsozialistischen Racheakt ermordet worden, Frauen und Kinder wurden ins Konzentrationslager gebracht. Schwangere Frauen durften ihre Babys noch zur Welt bringen, dann wurden sie ihnen weggenommen. „Das ging mir ans Herz“, sagte sie. „Es ist eine schreckliche Geschichte und doch ein friedvoller Ort“.

Paul und Tapio aus der Bundesrepublik hatten mit der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Stutthof zum ersten Mal einen solchen Ort besucht. „Auch wenn im  Geschichtsunterricht in Deutschland der Nationalsozialismus ein wichtiges Thema ist, waren wir vorher noch nie in einer KZ-Gedenkstätte. Dieser Ort und die Informationen über das Leben und Sterben der Häftlinge haben uns sehr berührt“, sagten sie.
 

Durch Erzählen Perspektiven ändern

Abschließend dankte Peter Kettner dem Volksbund und dem Team der Bildungs- und Gedenkarbeit für die Realisierung des Projekts PEACE LINE. Er fordert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu teilen und zu verbreiten. Das Auswärtige Amt unterstütze Projekte wie diese, weil „Perspektiven geändert werden von Leuten, mit denen Ihr sprecht. Nur so kann man die Welt langsam zu einer besseren ändern!“.
 

2022: Neue Route auf dem Balkan

Und ganz zum Schluss gab es noch ein Blick in die Zukunft: Stefan Finkele, der die Grüne Route betreut hatte, stellte das „Alumni-Netzwerk“ vor. Ein jährliches Treffen soll das erworbene Wissen auffrischen, die Chance zum Knüpfen von Netzwerken und Austausch von Neuigkeiten geben – und alte Freundschaften beleben. Für das Jahr 2022 sind weitere Reisen und auch die Entwicklung einer neuen Route auf dem Balkan geplant. Die Anmeldung wird ab Frühjahr 2022 über die Website www.peaceline.eu möglich sein.
 

Mehr zum Projekt PEACE LINE lesen Sie hier:

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„Orte erspüren, Geschichte erleben“ – PEACE LINE – Blaue Route: Impressionen von der Mauer-Gedenkstätte Bernauer Straße

„Dieser Tag hat mir die Augen geöffnet“ – Auf der Grünen Route bis ins Elsass: PEACE LINE erfüllt die Erwartungen