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Einbettung in aller Stille: 525 deutsche Soldaten beigesetzt

In Volksbund-Obhut: Sologubowka bei Sankt Petersburg jetzt Ruhestätte für rund 57.000 Tote

Es war eine stille Beisetzung in schwierigen Zeiten: 525 deutsche Soldaten hat der Volksbund auf der Kriegsgräberstätte Sologubowka bei Sankt Petersburg bestattet„Der Weg der Versöhnung und des Friedens scheint nie abgeschlossen zu sein", sagte Generalkonsulin Petra Kochendörfer.
 

Normalerweise wären Verwandte aus Deutschland angereist, wären russische Freunde und Vertreter der Administration des Landkreises Kirowsk dabei gewesen, die zuständig ist für diese deutsche Anlage.

Auch Soldaten des nicht weit entfernt stationierten russischen 90. Suchbatallions wären eingeladen worden. Doch an diesem sonnigen Tag im September gedachte der Toten nur eine kleine Delegation, zwei Autostunden von Sankt Petersburg entfernt.
 

Umkreis von 100 Kilometern

Der russische Angriff auf die Ukraine hat alles verändert. Deshalb verzichtete Hermann Krause, der Leiter des Moskauer Volksbund-Büros, dieses Mal auf Kontakte zu offiziellen russischen Stellen. „Es wäre auch niemand von der Administration Kirowsk erschienen”, sagte er.

Im Umkreis von rund 100 Kilometern hatten die Umbetter des Volksbundes die Gebeine dieser Gefallenen in den vergangenen drei Jahren gefunden. Nach fast 80 Jahren sollten sie würdig beigesetzt werden.
 

Vier Särge unter schwarzem Tuch

Einen Tag zuvor hatte Krause mit Victor Muchin, dem langjährigen Volksbund-Mitarbeiter in Russland, den Friedhof inspiziert und mit den Kollegen alles vorbereitet. Zwei lange Gräben waren auf dem hinteren Teil des großen parkähnlichen Areals ausgehoben worden. Die meisten kleinen schwarzen Särge waren darin schon sorgsam platziert.

Auf einem mit schwarzem Tuch abgedeckten Tisch standen vier weitere Särge bereit. Sie sollten bei der Gedenkstunde zu Grabe getragen werden – eine Geste, die fast immer zu Einbettungen des Volksbundes dazugehört. 
 

Vergangenheit ist nicht vorbei 

Im Hintergrund war die malerisch gelegene russisch-orthodoxe Kirche mit der blauen Kuppel zu sehen, vor Jahren vom Volksbund wiederaufgebaut. Eine gepflegte Rasenfläche, Birken im warmen Wind, eine friedliche Atmosphäre. Dennoch: Die Vergangenheit ist nicht vorbei.

Die deutsche Generalkonsulin Petra Kochendörfer war aus Sankt Petersburg angereist. „Die unfassbaren Gräueltaten, die Deutschland den Völkern der Sowjetunion und insbesondere Leningrad im Zweiten Weltkrieg zugefügt hat, fordern von jedem von uns, alles zu tun, dass sich die Schrecken von Gewalt und Krieg nie wiederholen“, sagte sie in ihrer Ansprache.
 

Weg zur Versöhnung nie abgeschlossen?

Dennoch sei der Krieg nach Europa zurückgekehrt, betonte sie. Jeder Tag in der Ukraine bringe neues Grauen, neues Leid, Tod und Zerstörung. Dies sei die schonungslose Realität. „Der Weg der Versöhnung und des Friedens scheint nie abgeschlossen zu sein."

Hermann Krause wies darauf hin, dass die Umbetter nicht nur die Gebeine von 525 Toten gefunden hatten, sondern auch 116 Erkennungsmarken. „Familien in Deutschland werden Nachricht erhalten, dass vor Petersburg auf unserem Friedhof Sologubowka der Großvater, Vater, Bruder, Ehemann oder Onkel liegt. Eine Gewissheit, die nach so viel Jahren voraussichtlich den Enkeln hilft, Familiengeschichte zu erkennen und aufzuarbeiten.”
 

Russische Suchteams

Mit eingeladen zu der Trauerfeier waren Vertreter der russischen Suchteams von „LenReserv“. Sie und die deutschen Ausbetter arbeiten zwar nicht zusammen, aber sie kennen sich gut und helfen einander.

Vor zwei Jahren hatte der Volksbund feierlich Gebeine eines Rotarmisten übergeben, sogar Vertreter des Verteidigungsministeriums aus Moskau waren dazu angereist. Im Gegenzug hatte der Volksbund von „LenReserv“ sterbliche Überreste deutscher Soldaten im Empfang genommen – eine Geste der Versöhnung (Bericht dazu: Übergabe von Gebeinen bei St. Petersburg).
 

Belagerung Leningrads

Hermann Krause wies darauf hin, dass die vielen Friedhöfe in Russland nicht nur Gedenkstätten seien, sondern auch Mahnmale. „Es sind Warnungen vor Diktatoren, die dazu aufrufen, andere Länder zu überfallen. Heute wie früher. Damals zogen deutsche Soldaten – manche überzeugt, manche gezwungen –  Richtung Leningrad, um die Stadt einzukesseln. Viele meinten, sie müssten ihre Pflicht erfüllen.“

Mehr als 1,3 Millionen Menschen waren bei der Belagerung der Stadt ums Leben gekommen. Die meisten Opfer waren Zivilisten, sie verhungerten oder erfroren. Heute gilt die Blockade Leningrads vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 als Kriegsverbrechen.
 

Sowjetische Gräber in Deutschland

Krause unterstrich, dass das Kriegsgräberabkommen zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland seit mehr als 30 Jahren Grundlage der Volksbund-Arbeit sei.

So gebe es in Deutschland an die 4.500 sowjetische Grabstätten und noch immer würden die sterblichen Überreste sowjetischer Soldaten und ehemaliger Kriegsgefangener der Roten Armee in Deutschland gefunden. Die Bereitschaft zur Pflege der Kriegsgräberstätten bleibe ungeachtet der jetzigen schwierigen politischen Situation bestehen.  
 

Superlativ macht traurig

Der Friedhof in Sologubowka, auf dem jetzt bald 60.000 Soldaten liegen, könne bald die größte deutsche Kriegsgräberstätte Europas sein, sagte Hermann Krause, „ein Superlativ, auf den wir nicht stolz sein können, der eher traurig macht!“

Zusammen mit Petra Kochendörfer und Pfarrer Michael Schwarzkopf von der evangelischen Gemeinde in Petersburg setzten Volksbund-Mitarbeiter die vier Särge symbolisch bei. Nach einem Gebet sang der Pfarrer mit der Generalkonsulin und einer katholischen Theologin den Kanon „Dona nobis pacem – Gib uns Frieden”.
 

Liedtext aus dem Jahr 1653

Zum Abschluss war das Lied „Befiehl du deine Wege“ zu hören – tröstliche Worte, die Paul Gerhard 1653 nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs geschrieben hatte. Lang ist es her, aber dennoch aktuell.

Das „Eine-Million-Projekt“

Im September hat der Volksbund die Wegmarke von einer Million ausgebetteter Kriegstoter nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erreicht. Die in Sologubowka Bestatteten gehören dazu. Doch unsere Arbeit ist noch lange nicht getan. Helfen Sie uns, auch das zweite Ziel zu erreichen: eine Million Euro an Spenden. Denn der Volksbund ist als gemeinnütziger Verein auf Unterstützung angewiesen. Danke!