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Am Grab des Opas: „Es gibt nichts Vergleichbares in meinem Leben“

Einbettung in Groß Nädlitz: Für Irmgard Aust schließt sich der Kreis mit großer Dankbarkeit

„Für mich ist das ein Wunder, dass ich heute hier stehen darf und meinen Großvater würdig begraben kann“, sagte Irmgard Aust auf der Kriegsgräberstätte Groß Nädlitz (polnisch: Nadolice Wielkie). Gustav Hiller war einer der 128 Toten, die der Volksbund im März im Garten einer Villa in Breslau geborgen hatte. Das und die deutsch-polnische Freundschaft standen bei einer Gedenkveranstaltung am 14. September im Mittelpunkt.

 

„Es bleibt unbegreiflich, dass mich die Ereignisse vom 11. April 1945 noch betreffen. Es gibt nichts Vergleichbares in meinem Leben“, sagte die Enkelin, als sie zwischen zwei Gruben mit schwarzen Särgen zu rund 90 Zuhörerinnen und Zuhörern sprach.
 

„Großen Respekt vor dieser Arbeit”

Ihr Großvater war in der zur Festung erklärten Stadt bei einem sowjetischen Tieffliegerangriff ums Leben bekommen. Immer sei er in der Familie präsent gewesen – bis hin zum Foto habe auf der Kommode im Wohnzimmer. „Opa liegt in einem Massengrab“, hatte ihre Oma erzählt.

Dass das nicht stimmte, hatte die Exhumierung unter der Leitung von Tomasz Czabański gezeigt. Er hatte mit dem Team der Volksbund-Partnerfirma „Pomost” auch die Einbettung vorbereitet. „Ich empfinde ganz große Dankbarkeit und Respekt vor dieser Arbeit”, sagte Irmgard Aust. „Das Wissen, dass ich jetzt jederzeit herkommen kann – dahin, wo mein Großvater seine letzte Ruhestätte gefunden hat –, ist für mich tief bewegend.”
 

Ort des Lebens und der Erinnerung

Diese Kriegsgräberstätte sei ein ganz besonderer Ort, sagte Martin Kremer, deutscher Generalkonsul in Breslau: ein Mahnmal, das „an die Verbrechen erinnert, die wir Deutsche in Polen begangen haben”, aber auch ein Ort des Friedens und der Verständigung zwischen den Völkern, „der uns jetzt würdig zusammenführt”.

Der Friedhof sei kein Ort des Todes, sondern des Lebens und der Erinnerung. Kremer dankte allen Beteiligten, auch denen, die den Friedhof pflegen: „Ihre Arbeit ist in den heutigen, unsicheren Zeiten so wichtig wie noch nie.” Auf Polnisch und Deutsch schloss er mit „Leben wir in Frieden!”

Bis 1989 undenkbar

Aus Misstrauen und Distanz seien enge Partnerschaft und Freundschaft geworden, erklärte Andrea Dombois. Die Vizpräsidentin des sächsischen Landtags und Vorsitzende des Volksbund-Landesverbandes Sachsen betonte auch: „Dass wir heute 123 zivile Tote und 183 deutsche Soldaten in polnischer Erde bestatten dürfen, wäre bis 1989 undenkbar gewesen.”

Christian Piwarz, Kultusminister in Sachsen, ergänzte: „Diese enge Beziehung wollen wir pflegen und weiter vertiefen – nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch auf der persönlichen.” Dazu gehöre es, junge Menschen zusammen zu bringen. „Wir tragen die Verantwortung, ihnen die Werkzeuge und das Wissen zu geben für ein friedliches Miteinander in Europa und in unseren Ländern.”

„Mein Großvater ist mitgemeint”

Mit einem Fragezeichen, einer Lücke leben lernen – das machte Klaus Kaiser mit seiner Familiengeschichte zum Thema. Bis heute weiß der evangelische Militärdekan aus Dresden nicht, wo sein Großvater begraben ist. Seine Großmutter habe sich vorgestellt, dass es irgendwo in Russland einen Ort gäbe wie diesen: einfache Gräber auch für Namenlose. „Ich denke, mein Großvater ist mitgemeint bei dieser Feier an diesem Ort.”

Blumen gegen das Vergessen

Für Menschen wie den Großvater von Klaus Kaiser  – für die Unbekannten, die in Groß Nädlitz bestattet sind –, hatten Spenderinnen und Spender Geld für 189 Blumensträuße überwiesen. „Blumen gegen das Vergessen” heißt die Volksbund-Aktion.

Andrea Dombois begrüßte besonders die rund 60 Gäste aus dem Volksbund-Landesverband Sachsen sowie den Vizewojewoden Bogusław Szpytma und Jan Wais von der Stadtverwaltung Breslau (polnisch: Wrocław), stellvertretender Direktor für Internationales. Sie hieß außerdem Krystyna Kadlewicz, Vorsitzende der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft in Breslau, willkommen – stellvertretend für verschiedene Organisationen.

„Unsere Soldaten, unsere Jungs“

„Das sind ‚unsere‘ Soldaten, ‚unsere‘ Jungs“ – diese Worte hatte Tomasz Czabański noch im Ohr, als er Justena und Mariusz Pollok am Eingang begrüßte. Sie hatten extra Urlaub benommen, um dabei zu sein. Sie sind in dem kleinen Dorf Seblow in der Region Oppeln (polnisch: Opole) zu Hause, wo eine deutsche Minderheit jahrzehntelang ein Massengrab auf dem Friedhof gepflegt hatte. Ihnen war es wichtig, diese Soldaten nach der Exhumierung bis zur Einbettung zu begleiten.
 

MDR-Beitrag Sonntag, 19 Uhr

Die Ausbettung im Garten der Villa in Breslau hatte ein Fernsehteam dokumentiert. Mehr darüber lesen Sie hier: Frühjahr 1945 in Breslau: Garten einer Villa wurde zum Friedhof (mit Link zur Sendung). Einen Beitrag zur Einbettung sendet das MDR-Fernsehen am 17. September, um 19 Uhr im „Sachsenspiegel” (ab Minute 11:16).

In der nächsten Ausgabe der Mitgliederzeitschrift FRIEDEN, die Anfang Oktober erscheint, berichten wir ausführlich über alles, was bis zum 14. September geschah – von der Recherche in Archiven zur Grablage im Garten der Villa über die Ausbettung bis zu einem Besuch von Irmgard Aust am Fundort des Grabes. Für sie hat sich auf der Kriegsgräberstätte in Groß Nädlitz der Kreis geschlossen. „Hier ist etwas auf sehr gute Weisezu Ende gegangen”, sagt sie.

„Eine-Million-Projekt”

So wie das Team um Tomasz Czabański in Südwest-Polen arbeiten etliche andere parallel in vielen Ländern. Eine aktueller Artikel zeigt das breite Spektrum dieses Engagements: Momentaufnahme: Volksbund-Umbetter in 14 Ländern im Einsatz. Sie alle tragen dazu bei, dass die Wegmarke von einer Million geborgener Toter immer näher rückt.

Unterstützen Sie unsere Arbeit!

In Kürze will der Volksbund eine Million Kriegstote seit 1992 geborgen haben. Die neue Zeitrechnung begann nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, mit Abschluss des Kriegsgräberabkommens zwischen der Bundesrepublik und der Russischen Föderation. Die weitaus meisten Toten fanden und finden die Experten in Osteuropa. Paralell dazu will der Volksbund eine Million Euro an Spenden sammeln.